ARB § 3a; VVG § 128; MB/KT 2009 §§ 1 Abs. 2 S. 3, Abs. 3, 4 Abs. 5
Leitsatz
- Die Pflicht des Rechtsanwalts, seinen Mandanten grundsätzlich umfassend und möglichst erschöpfend rechtlich zu beraten und, falls eine Klage oder Berufung nur wenig Aussicht auf Erfolg verspricht, hierauf und auf die damit verbundenen Gefahren hinzuweisen, gilt gleichermaßen auch dann, wenn der Mandant rechtsschutzversichert ist.
- Der Rechtsanwalt hat seinen Mandanten auch darüber zu belehren, dass der Rechtsschutzversicherer zur Gewährung von Deckungsschutz für aussichtslose Verfahren nach Maßgabe der § 3a ARB; § 128 VVG nicht verpflichtet ist.
- Die Deckungszusage eines Rechtsschutzversicherers hat keinen Einfluss auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Mandanten/Versicherungsnehmer und dem Rechtsanwalt. Sie begründet insbesondere für den Rechtsanwalt grundsätzlich keinen Vertrauenstatbestand dahin, dass er von dem Rechtsschutzversicherer nicht wegen Verletzung seiner Pflichten aus dem Anwaltsvertrag aus übergegangenem Recht in Anspruch genommen wird. Die Rechtsschutzversicherung wird nicht als Erfüllungsgehilfin des Versicherungsnehmers in dessen Pflichtenkreis aus dem mit dem Anwalt geschlossenen Vertrag tätig.
- Der zur Beweislastumkehr führende Anscheinsbeweis beratungskonformen Verhaltens, wie er etwa in Fällen der Anwalts- und Steuerberaterhaftung Anwendung findet, gilt in der Rechtsschutzversicherung nicht in jedem Einzelfall. Anders dann, wenn der Rechtsanwalt seinen Mandanten nicht von einer von vornherein aussichtlosen Klage abrät und darauf hinweist, dass der Mandant deshalb ohne Rechtsschutz den Prozess auf eigenes Risiko führen müsse.
OLG Köln, Urt. v. 3.3.2020 – 9 U 77/19
1 Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Rechtsschutzversicherung, bei der Herr W. Versicherungsnehmer ist. Sie nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht nach § 86 VVG in Anspruch.
Die Beklagte vertrat den Versicherungsnehmer W. in einem Rechtsstreit vor dem LG und dem OLG gegen die U. Krankenversicherung a.G. (im Folgenden: U.). In diesem Verfahren nahm der Mandant W. die U. auf Zahlung von Krankentagegeld für den Zeitraum v. 10.3. bis zum 17.5.2015 i.H.v. 13.800,00 EUR in Anspruch.
Der Versicherungsnehmer W. war seit dem 1.10.2004 Außendienstmitarbeiter der Fa. K. GmbH, die u.a. Reinigungsgeräte wie etwa Hochdruckreiniger vertreibt. Er unterhielt eine private Krankenversicherung bei der U. Nach den Versicherungsbedingungen KT 43 war ab dem 43. Tag einer Arbeitsunfähigkeit ein tägliches Krankengeld i.H.v. 200,00 EUR zu zahlen. Dem Versicherungsnehmer waren verschiedene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ab dem 23.1.2015 ausgestellt worden, zuletzt mit Datum v. 20.4.2015. Am 18.5.2015 erhielt der Versicherungsnehmer erstmals einen Termin bei der Psychotherapeutin Dr. F., die die Diagnose "Anpassungsstörung" stellte und mit Schreiben v. 2.6.2015 bescheinigte, dass mit den probatorischen Sitzungen erst am 29.5.2015 begonnen werden konnte.
Mit Abrechnungsschreiben v. 30.4.2015 zahlte die U. Krankentagegeld aus Kulanz an den Versicherungsnehmer i.H.v. 1.000,00 EUR (5 x 200,00 EUR) für die Zeit v. 5.3. bis 9.3.2015. Mit weiterem Abrechnungsschreiben v. 8.6.2015 zahlte sie Krankentagegeld an den Versicherungsnehmer i.H.v. 3.100,55 EUR für die Zeit v. 18.5. bis 1.6.2015.
Der Versicherungsnehmer W. beauftragte die Beklagte Ende Juni/Anfang Juli 2015 mit der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Krankentagegeldversicherung ab März 2015. Mit Schreiben v. 1.7.2015 an die U. forderte die Beklagte Zahlung von rückständigem Krankentagegeld seit dem 5.3.2015 sowie auch zukünftige Zahlungen von Krankentagegeld. Mit Schreiben v. 3.7.2015 antwortete die U., dass sie für die Zeit v. 5.3. bis 9.3.2015 insoweit aus Kulanz Krankentagegeld an den Kläger gezahlt habe. I.Ü. verweigerte die U. weitere Leistungen unter Hinweis darauf, dass mangels Nachweises einer Heilbehandlung kein Versicherungsfall eingetreten sei und es sich zudem im genannten Zeitraum um unterschiedliche Erkrankungen gehandelt habe, die jeweils unterschiedliche Karenzzeiten zur Folge hätten. Die U. wies ferner darauf hin, dass ihr "lediglich die nicht sonderlich aussagefähige Krankenakte des Dr. H. bis zum 1.4.2015" vorliege; sie erbat "die ergänzende Vorlage der Krankenakte bis zum aktuellen Zeitpunkt". Welche Unterlagen im Einzelnen im Anschluss hieran an die U. übermittelt worden sind, trägt keine der Parteien vor. Jedenfalls zahlte die U. bis zum Herbst 2015 laufend Krankentagegeld an den Versicherungsnehmer W., nicht jedoch für den Zeitraum v. 10.3. bis zum 17.5.2015.
Die Klägerin erteilte dem Versicherungsnehmer am 3.8.2015 Deckungsschutz für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung gegenüber der U. sowie später auch für die gerichtliche Rechtsverfolgung in erster und zweiter Instanz.
Mit Datum v. 17.11.2015 erteilte die Beklagte eine Vorschussrechnung für ihre vorgerichtliche und gerichtliche Tätigkeit über insgesamt 2.484,13 EUR, worauf die Klägerin am 19.11.2015 einen Betrag von 1.500 EUR anwies. Dieser Rechnung legte die Beklagte...