Nrn. 1000, 1003 VV RVG; §§ 151, 165 VwGO
Leitsatz
Bei Vergleichsvorschlägen des Gerichts entspricht es dem Regelfall, dass diese sich auf den konkreten Streitgegenstand des jeweils anhängigen Verfahrens beschränken. Damit ist zwar nicht ausgeschlossen, dass auch nicht rechtshängige Streitgegenstände mit verglichen werden. Um dies annehmen zu können, bedarf es jedoch entsprechender Umstände, denen sich diese Intention entnehmen lässt.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 6.1.2021 – OVG 6 K 2/21
I. Sachverhalt
In dem vor dem VG Berlin anhängigen Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz stritten die Parteien über die vorläufige Vergabe eines Schulplatzes an den Antragsteller zu 1. Das VG Berlin schlug mit Schreiben vom 10.8.2020 vor, unter den 12 gleichrangigen Bewerbern um die Aufnahme in die fragliche Schule ein Losverfahren durchzuführen, hierbei die Rangfolge zu ermitteln und den entsprechenden Antragsteller zum Schuljahr 2020/2021 aufzunehmen, sofern bei der Verlosung auf ihn einer der ersten acht Rangplätze entfalle. Anderenfalls solle er entsprechend seinem Rangplatz unverzüglich nachrücken, sofern ein nach dem Ergebnis dieses Losverfahrens zuzulassender Bewerber auf den Besuch der Schule verzichte. Auf diesen gerichtlichen Vergleichsvorschlag haben sich die Verfahrensbeteiligten geeinigt und das einstweilige Rechtsschutzverfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren beantragten die Antragsteller u.a. die Festsetzung einer Verfahrensgebühr und einer Einigungsgebühr für den "Mitvergleich" des im Widerspruchsverfahren schwebenden und daher nicht rechtshängigen Anspruch zur endgültigen Schulplatzvergabe. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle lehnte dies in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss mit der Begründung ab, Gegenstand der außergerichtlichen Einigung sei allein die Beendigung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gewesen. Demgegenüber seien in diesem Verfahren keine nicht rechtshängigen Ansprüche, wie die endgültige Aufnahme in die Schule, mit verglichen worden.
Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) blieb beim OVG Berlin-Brandenburg erfolglos.
II. Verfahrens- und Einigungsgebühr bei Mehrvergleich
1. Gesetzliche Regelung
a) Verfahrensgebühren
Für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (s, Vorbem. 3 Abs. 2 VV) erhält der Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigte eine Verfahrensgebühr, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erster Instanz nach Nr. 3100 VV mit einem Gebührensatz von 1,3 anfällt, wenn der Rechtsanwalt eine oder mehrere der in Nr. 3101 Nr. 1 VV aufgeführten Tätigkeiten entfaltet hat. Vorliegend ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller die volle Verfahrensgebühr für das Einreichen des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes angefallen.
Soweit Verhandlungen vor Gericht zur Einigung der Parteien über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche geführt werden oder soweit beantragt wird, eine diesbezügliche Einigung zu Protokoll zu nehmen, erhält der Rechtsanwalt nach Nr. 3101 Nr. 2 VV eine 0,8-Verfahrensgebühr (sog. Differenzverfahrensgebühr). In diesem Fall ist dann die Gebührenbegrenzung aus § 15 Abs. 3 RVG zu beachten, wonach an Verfahrensgebühren nicht mehr als eine 1,3-Gebühr nach der Summe der jeweiligen Einzelwerte anfallen kann.
b) Einigungsgebühr
Nach Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 1000 VV entsteht die Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, mit einem Gebührensatz von 1,5. Ist über den Gegenstand ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbstständiges Beweisverfahren anhängig, fällt die Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV nur mit einem Gebührensatz von 1,0 an. Somit können beide Einigungsgebühren anfallen, wenn sich die Einigung sowohl über die rechtshängigen als auch über nicht rechtshängige Ansprüche erstreckt. Auch hier ist wiederum ein Gebührenabgleich nach § 15 Abs. 3 RVG vorzunehmen.
2. Mehrvergleich
Ob dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller die sog. Differenzverfahrensgebühr und die Einigungsgebühr für den Abschluss eines Mehrvergleichs angefallen ist, hängt somit davon ab, ob sich die Parteien in dem auf Vorschlag des Gerichts geschlossenen Vergleich in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch auf nicht anhängige Gegenstände geeinigt haben. Dies hat das OVG Berlin-Brandenburg verneint. Das hat das OVG damit begründet, bei Vergleichsvorschlägen des Gerichts entspreche es dem Regelfall, dass diese sich auf den konkreten Streitgegenstand des jeweils anhängigen Verfahrens beschränkten. Es sei zwar dabei nicht ausgeschlossen, dass auch nicht rechtshängige Streitgegenstände mitverglichen werden. Um dies annehmen zu können, bedürfe es jedoch entsprechender Umstände, denen sich diese Absicht entnehmen lasse. Daran fehlte es nach Auffassung des OVG hier.
Zwar könne die Formulierung des konkreten Vergleichsvorschlags im Schreiben des Vorsitzenden für sich genommen in dem Sinne verstanden werden, dass das vorg...