Voraussetzung für eine Aufhebung der VKH-Bewilligung gem. § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist zunächst, dass der Partei durch Beschluss VKH bewilligt worden ist. Er ermöglicht in bestimmten Fällen eine nachträgliche Korrektur der getroffenen Entscheidung (MüKo-ZPO/Wache, 6. Aufl., 2020, § 124 Rn 2). Ein solcher Fall ist gegeben, wenn die Partei ihrer Verpflichtung gem. § 120a Abs. 2 S. 1 ZPO, eine Änderung ihrer Anschrift mitzuteilen, absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit nicht unverzüglich nachgekommen ist.
Es muss neben dem objektiven Tatbestand (keine unverzügliche Mitteilung der geänderten Anschriften) auch der subjektive Tatbestand erfüllt sein, nämlich dass die Partei ihre Verpflichtung absichtlich oder grob nachlässig verletzt hat und bei der Antragstellung auf ihre Mitteilungspflichten sowie die Rechtsfolgen des Verstoßes hingewiesen worden ist (BeckOK-ZPO/Kratz, 40. Edition, 1.3.2021, § 124 Rn 23a). Der Begriff der groben Nachlässigkeit entspricht dem Begriff der groben Fahrlässigkeit. Hiernach handelt grob nachlässig derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt oder unbeachtet lässt und dies auch jedermann einleuchtet (BAG, Beschl. v. 18.8.2016 – 8 AZB 16/16, AGS 2016, 584 = RVGreport 2016, 474 [Hansens]). Daraus ergibt sich, dass das reine bloße Vergessen eines Anschriftenwechsels oder das bloße Nichtbeachten dieser entsprechenden Verpflichtung in der Regel nicht den Tatbestand einer groben Nachlässigkeit verwirklicht (s. auch OLG Dresden, Beschl. v. 25.10.2016 – 20 WF 1201/16, AGS 2017, 143; Schultzky, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl., 2020, § 115 Rn 20) und ansonsten auch der geforderten Verschuldensanforderung als gesetzliches Merkmal hier unterlaufen würde.
Zustellungen und Mitteilungen im VKH-Überprüfungsverfahren haben an den Prozessbevollmächtigten der Partei gem. § 172 Abs. 1 ZPO zu erfolgen, wenn dieser die Partei im PKH-Verfahren vertreten hat (BGH, Beschl. v. 8.12.2010 – XII ZB 38/09 = RVGreport 2011, 117). Hat die Partei z.B. die Anschrift gewechselt, ist aber weiterhin über den beigeordneten Prozessbevollmächtigten ohne Probleme erreichbar, und vertraut die Partei insoweit darauf, dass dieser den Anschriftenwechsel dem Gericht mitteilt, bedingt es hier keiner aufwändigen Ermittlung der neuen Anschrift durch das Gericht. Eine grobe Nachlässigkeit seitens der Partei ist hier zu verneinen (s. auch OLG Brandenburg FamRZ 2017, 1593 – BeckRS 2017, 102975; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.2016 – 2 Ta 79/16, AGS 2016, 435 = BeckRS 2016, 68558 (bezieht es hier auf das Nichtvorliegen eines atypischen Falls, der ein Abweichen von der Sollvorschrift des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO rechtfertigen würde)). Um diesen Tatbestand bejahen zu können, bedarf es dagegen konkreter, tatsächlicher Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Sorgfaltspflichtverletzung (OLG Dresden, Beschl. v. 25.10.2016 – 20 WF 1201/16, AGS 2017, 143) oder ein qualifiziertes Verschulden im Sinne einer groben Fahrlässigkeit oder Absicht (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 12.6.2019 – 2 WF 241/18) bzw. des Nachweises eines groben Fehlverhaltens der Partei (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.4.2016 – 6 WF 39/16).