1. Gesetzliche Regelung
Wird die Klage zurückgenommen, ist der Kläger gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass die Regel, wonach im Falle einer Klagerücknahme der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe, eine Ausprägung des allgemeinen, den Vorschriften der §§ 91, 97 ZPO zugrunde liegenden Prinzips darstellt, dass die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Wenn der Kläger seine Klage zurücknehme, begebe er sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen. Dabei sei es ohne Bedeutung, ob dieses Ergebnis mit dem materiellen Recht übereinstimme. Dieses betreffe allein den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, nicht hingegen die davon zu unterscheidende prozessuale Kostenlast (BGH AGS 2004, 34 m. Anm. E. Schneider = RVGreport 2004, 38; BGH NJW-RR 2005, 1662; BGH NJW 2011, 2368 = zfs 2011, 567).
2. Ausnahmen
Von diesem Grundsatz lässt das Gesetz in § 269 Abs. 3 S. 2 und 3 ZPO Ausnahmen zu. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Kosten dem Beklagten aus einem anderen Grunde aufzuerlegen sind. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass diese Vorschrift allein dazu diene, prozessualen Besonderheiten wie etwa einer Kostentragungspflicht des Beklagten gem. § 344 ZPO oder einer von § 269 Abs. 3 S. 2 HS 1 ZPO abweichenden Regelung der prozessualen Kostenlast in einem gerichtlichen Vergleich Rechnung zu tragen. Ausnahmsweise könnten dabei auch bestimmte außerprozessuale Umstände wie etwa eine außergerichtliche Vereinbarung über die Kostentragungspflicht des Beklagten oder dessen Verzicht auf eine Kostenerstattung berücksichtigt werden (s. BGH NJW 2011, 2368 = zfs 2011, 567). In einem solchen Fall werden – so führt der BGH fort – von dem in § 269 Abs. 3 S. 2 HS 1 ZPO normierten Veranlassungsprinzip Ausnahmen zugelassen.
Demgegenüber lasse die gesetzliche Regelung über die vorstehend erwähnten Ausnahmefälle die Berücksichtigung materiell-rechtlicher Kostenerstattungsansprüche nicht zu (BGH NJW 2011, 2368 = zfs 2011, 567).
3. Keine Berücksichtigung materiell-rechtlicher Kostenerstattungsansprüche
Die Erstreckung materiell-rechtlicher Kostenerstattungsansprüche auf die Ausnahmeregelung in § 269 Abs. 3 S. 2 HS 2 ZPO ist nach den weiteren Ausführungen des BGH auch nicht geboten. Dies führe nämlich nicht zu einer unbilligen Einschränkung der späteren Durchsetzbarkeit von zugunsten der (ehemaligen) Klägerin bestehenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsansprüchen. Grds. sei nämlich noch trotz der zu Lasten des Klägers ergangenen Kostenentscheidung Raum für die Durchsetzung materiell-rechtlicher Ansprüche auf Kostenerstattung etwa aus Vertrag, wegen Verzugs oder aus unerlaubter Handlung.
Ein der Entscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO entgegen gerichteter materiell-rechtlicher Anspruch auf Kostenerstattung kommt nach den weiteren Ausführungen des BGH nur dann nicht in Betracht, wenn der Sachverhalt, der zu der prozessualen Kostenentscheidung in den vorangegangenen durch Klagerücknahme beendeten Verfahren geführt hat, unverändert bleibt. Dies sei der Fall, wenn keine zusätzlichen Umstände hinzukommen, die bei der prozessualen Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht berücksichtigt werden konnten. Jedoch scheide ein der Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO entgegen gerichteter materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch nicht allein deshalb aus, weil er auf Umstände gestützt werde, die bei der Kostenentscheidung in dem vorangegangenen Rechtsstreit, etwa weil der Kläger sie zur Erzielung einer ihm günstigen Kostenentscheidung vorgebracht habe, bereits bekannt war. Die Durchsetzung eines solchen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs in einem Folgeprozess ist nach den weiteren Ausführungen des BGH nur dann von vornherein ausgeschlossen, wenn es sich bei den tatsächlichen Umständen, die dem später verfolgten materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch zugrunde gelegt werden, um Umstände des unveränderten Lebenssachverhalts handele, der die Grundlage des Hauptsacheanspruchs gebildet hat.
4. Die Umstände im Fall des BGH
In Anwendung dieser Grundsätze ist nach den weiteren Ausführungen des BGH ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 4. nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Klägerin hatte solche Ansprüche wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung i.S.v. § 826 BGB darauf gestützt, dass die Beklagte zu 4. vorgerichtlich wie eine Vermieterin aufgetreten sei und gleichwohl den darauf basierenden Irrtum der Klägerin über die Passivlegitimation der Beklagten nicht bereits im vorgeschalteten PKH-Verfahren aufgeklärt hat. Diese unter deliktsrechtlichen Gesichtspunkten zu würdigenden Umstände sind – worauf der BGH hingewiesen hat – nicht Teil des Lebenssachverhalts, der die Grundlage der mit der zurückgenommenen Klage verfolgte...