§§ 28, 66 Abs. 1 GKG; Nr. 9000 Nr. 1b GKG KV; §§ 55 Abs. 5 S. 3, 55 Abs. 1, 81 Abs. 2 VwGO
Leitsatz
Fertigt das Gericht von einem nach § 55a Abs. 1 VwGO als elektronisches Dokument bei Gericht eingereichten Schriftsatz für andere Verfahrensbeteiligte Abschriften in Papierform an, entstehen hierfür keine Auslagen nach Nr. 9000 Nr. 1 Buchst. b der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG ("Dokumentenpauschale").
OVG Münster, Beschl. v. 14.4.2022 – 1 B 1861/21
I. Sachverhalt
Die Antragsgegnerin hatte in dem vor dem OVR Münster in zweiter Instanz anhängigen Verwaltungsstreitverfahren durch ihren Prozessbevollmächtigten den Fristverlängerungsantrag vom 27.12.2021 und die Beschwerdeerwiderung vom 19.1.2022 dem OVG Münster auf elektronischem Wege per beA übersandt. Die Serviceeinheit des zuständigen Senats fertigte von diesen Schriftsätzen für den nicht anwaltlich vertretenen Beigeladenen Abschriften in Papierform an. Zuvor hatte ein Vertreter der Antragsgegnerin gegenüber der Serviceeinheit des Senats telefonisch erklärt, Kosten für die Fertigung von Abschriften "in Kauf" nehmen zu wollen.
Für die Fertigung dieser Abschriften in Papierform setzte der Kostenbeamte – soweit hier von Interesse – unter der Position Nr. 1 "9000 Dokumentenpauschale" i.H.v. 8,50 EUR an. Die hiergegen von der Antragsgegnerin eingelegte Erinnerung hatte beim OVG Münster Erfolg.
II. Voraussetzungen der Dokumentenpauschale
1. Gesetzliche Regelung
Nach Nr. 9000 Nr. 1b) GKG KV fällt die gerichtliche Dokumentenpauschale an, wenn Ausfertigungen, Kopien oder Ausdrucke vom Gericht angefordert worden sind, weil die Partei oder ein Beteiligter es unterlassen hat, die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen. Dieser Anfertigung steht es gleich, wenn per Telefax übermittelte Mehrfertigungen von der Empfangseinrichtung des Gerichts ausgedruckt werden. So fällt die Dokumentenpauschale nach dieser Vorschrift dann an, wenn eine Partei längere Schriftsätze zu den Gerichtsakten durch doppelte Übersendung per Telefax einreicht und auch das jeweils zweite Exemplar von der Empfangseinrichtung des Gerichts ausgedruckt wird (LSG Berlin-Brandenburg AGS 2019, 472 = RVGreport 2019, 232 [Hansens]). Dies gilt nach Auffassung des OLG Koblenz (AGS 2017, 82 = RVGreport 2017, 397 [Ders.]) selbst dann, wenn es aufgrund eines nicht von dem Gericht zu vertretendem Umstand zum Ausdruck von Fehlfaxen, also eines unvollständigen Schriftsatzes, kommt. Demgegenüber fällt die Dokumentenpauschale dann nicht an, wenn die Partei den Schriftsatz lediglich einmal per Telefax übermittelt hat und sodann die erforderlichen Mehrfertigungen beim Gericht im Original eingereicht hat (OLG Naumburg AGS 2013, 86 = RVGreport 2013, 160 [Ders.]).
2. Kein Anfall der Dokumentenpauschale
Nach Auffassung des OVG Münster lagen hier die vorgenannten Voraussetzungen für den Ansatz der gerichtlichen Dokumentenpauschale nicht vor.
a) Verfahrensrechtliche Ausgangslage
Das OVG Münster hat unter Heranziehung der verfahrensrechtlichen Vorschriften zunächst erörtert, wann von Schriftsätzen Abschriften für die übrigen Beteiligten beizufügen sind. Dabei hat das OVG zunächst § 81 Abs. 2 VwGO herangezogen und daraus gefolgert, dass ein Beteiligter, der einen Schriftsatz formwirksam elektronisch übermittelt hat, nicht gehalten ist, die für die übrigen Beteiligten erforderlichen Abschriften in Papierform nachzureichen.
b) Kostenrechtliche Folge
Nach Auffassung des OVG Münster liegen die Voraussetzungen für den Ansatz der Dokumentenpauschale nicht vor. Der Prozessbevollmächtigte habe nämlich die beiden Schriftsätze formwirksam auf elektronischen Weg über das beA an das OVG übermittelt. Folglich schulde seine Mandantin die Übersendung von Papierabschriften dieser Schriftsätze für den anwaltlich nicht vertretenen Beigeladenen nicht. Ebenso wenig schulde sie die Dokumentenpauschale deshalb, weil die Serviceeinheit des Senats die Kopien dieser Schriftsätze gefertigt habe.
3. Keine Übernahmeerklärung
Das OVG hat dahinstehen lassen, ob in der telefonischen Äußerung, Kosten für die Fertigung von Abschriften "in Kauf" nehmen zu wollen, überhaupt eine Übernahmeerklärung darstellt. Jedenfalls sei diese Erklärung nicht eindeutig und zweifelsfrei als vorbehaltlose Kostenübernahme auszulegen, mit der Auslagen, für deren Ansatz es keine Rechtsgrundlage gebe, endgültig und abschließend übernommen werden sollen.
III. Bedeutung für die Praxis
Der Entscheidung des OVG Münster ist zuzustimmen.
1. Die gerichtliche Dokumentenpauschale in der Praxis
Dem Beschluss kann entnommen werden, dass die Vorschrift der Nr. 9000 Nr. 1b GKG KV, die die gerichtliche Dokumentenpauschale bei per Telefax übermittelten Mehrfertigungen regelt, in der Praxis immer wieder Probleme bereitet. Danach fällt die gerichtliche Dokumentenpauschale an, wenn Ausfertigungen, Kopien oder Ausdrucke vom Gericht angefordert worden sind, weil die Partei oder ein Beteiligter es unterlassen hat, die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen. Dieser Anfertigung steht es gleich, wenn per Telefax übermittelte Mehrfertigungen von der Empfangseinrichtung des Gerichts ausgedruckt werden. So ...