§ 76 Abs. 1 FamFG; § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 und Nr. 5 ZPO; § 28 SGB XII
Leitsatz
Bei der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe sind Rundfunkgebühren als angemessene besondere Belastungen abzusetzen, § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 ZPO.
OLG Braunschweig, Beschl. v. 27.3.2023 – 2 WF 27/23
I. Sachverhalt
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG – Familiengerichts – Göttingen vom 16.2.2023 hat nur zu einem Teil Erfolg. Der Beschluss wird dahingehend geändert, dass die vom Antragsgegner monatlich zu zahlende Rate auf 80,00 EUR festgesetzt wird, i.Ü. wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde für die Staatskasse wird zugelassen.
Der Antragsgegner hat die Berücksichtigung weiterer Belastungen, nämlich Stromkosten i.H.v. monatlich 24,00 EUR, Versicherung für das eigene Fahrzeug sowie die Zahlungen für die Rundfunkgebühr an die GEZ, und damit eine Reduzierung der festgesetzten Ratenhöhe erstrebt.
Die Stromkosten sind in dem nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2a ZPO abzusetzenden Freibetrag enthalten und können nicht gesondert abgezogen werden. Auch wurden in Ermangelung eines Vortrages zur Notwendigkeit eines eigenen Fahrzeuges die diesbezüglichen Kosten für die Versicherung zutreffend vom AG als nicht abzugsfähig angesehen.
In Abzug gebracht werden kann jedoch die Rundfunkgebühr an die GEZ. Abweichend von der vom AG vertretenden Meinung ist die Rundfunkgebühr an die GEZ nicht in dem persönlichen Freibetrag der Partei enthalten, da dem nicht leistungsberechtigten Beteiligten der Weg über eine Gebührenbefreiung versperrt ist und er damit schlechter als derjenige gestellt wäre, auf den sich i.S.v. § 4 Abs. 3 Rundfunkstaatsvertrag (Anm.: richtig müsste es wohl heißen "Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV)") die Gebührenbefreiung erstreckt. Die Staatskasse teilt vorliegend die Auffassung des Senats. Der die Verfahrenskostenhilfe (VKH) begehrende Beteiligte ist vorliegend auch alleiniger Beitragsschuldner nach § 2 Rundfunkstaatsvertrag, da dieser allein in der Wohnung lebt und ausweislich seiner beigebrachten Kontoauszüge auch die Zahlungen gegenüber der Rundfunkanstalt leistet.
II. Einzusetzendes Einkommen, § 76 Abs. 1 FamFG, § 115 Abs. 1 S. 1 ZPO
Für die Gewährung von PKH oder VKH sind mehrere Voraussetzungen zu erfüllen. Gem. § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 Abs. 1 S. 1 1. HS ZPO erhält eine Partei – ungeachtet der weiteren zur Gewährung von VKH notwendigen Voraussetzungen wie bspw. der zu bejahenden Erfolgsaussicht des zugrunde liegenden Anspruchs oder dass das Begehren nicht mutwillig erscheinen darf, § 114 Abs. 1 S. 1 2. HS ZPO – VKH, wenn sie die Kosten der Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Im Rahmen der Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist auch das seitens des Antragsgegners frei verfügbare Einkommen dahingehend zu überprüfen, § 76 Abs. 1 FamFG, § 115 Abs. 1, 2 ZPO, ob dies zur Prozessfinanzierung einzusetzen ist.
Die VKH ist eine Form der staatlich gewährten Sozialhilfe für den Bereich der Rechtspflege (BGH NJW 2005, 2393 ff. = AGS 2005, 160). Hierzu zählen grds. alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. § 115 Abs. 1 S. 1 ZPO und § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII definieren den Einkommensbegriff identisch. Durch die Verweise in § 115 Abs. 1 ZPO werden sozialrechtliche Vorschriften, insbesondere § 82 SGB XII nebst der hierzu erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch v. 28.11.1962 (BGBl I, 692), zuletzt geändert durch Art. 8 G zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Vorschriften v. 21.12.2015 (BGBl I, 2557), die Anlage zu § 28 SGB XII, § 21 SGB II und § 30 SGB XII zur Ermittlung des einzusetzenden Einkommens herangezogen (Lissner/Dietrich/Schmidt, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 4. Aufl., 2022, Rn 23). Maßgebend ist dabei immer nur das Einkommen der Hilfe suchenden Partei zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Bewilligung der VKH, das auch tatsächlich erzielt wird.
III. Besondere Belastungen
1. Allgemein
Gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 bis 4 ZPO sind vom Einkommen verschiedene Beträge abzusetzen. Dabei handelt es sich überwiegend z.B. um Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, Versicherungsbeiträge, Werbungskosten, Freibeträge für Erwerbstätige, für die Partei und Ehegatten und unterhaltsberechtigte Kinder, Kosten für Unterkunft und Heizung sowie Mehrbedarfe.
Neben diesen genannten Abzügen kommen weitere Abzüge gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 ZPO in Betracht (besondere Belastungen). Hierunter fallen insbesondere diejenigen Belastungen, die durch den Regelsatz für den laufenden Bedarf i.S.d. § 28 SGB XII nicht gedeckt sind. Dieser Umstand allein führt jedoch noch nicht zu einer direkten Berücksichtigung der Belastung, sondern diese muss zudem auch angemessen sein (Reichling, in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, 48. Ed., Stand: 1.3.2023, § 115 Rn 43). Es kommen Belastungen jeder Art und Höhe sowie Dauer infrage, sie müssen dabei aber über das Übliche hinausgehen (Lissner/Schmidt/Dietrich...