§ 33 RVG; § 269 ZPO

Leitsatz

Der Gegenstandswert für die Verfahrensgebühr des Prozessbevollmächtigten des Beklagten bemisst sich auch dann nach dem vollen Hauptsachewert, wenn dieser zum Zeitpunkt des Einreichens des Klageabweisungsantrages keine Kenntnis davon hatte, dass der Kläger zuvor seine Klage teilweise zurückgenommen hatte.

OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.10.2023 – 6 W 104/23

I. Sachverhalt

Das LG Potsdam hatte auf Antrag der Prozessbevollmächtigten des Beklagten den Gegenstandswert – wohl – getrennt für die Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr festgesetzt. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin hatte beim LG Potsdam eine Klage eingereicht. Die mit der Klageschrift verfolgten Anträge hatten einen Wert in der Gebührenstufe bis 40.000,00 EUR. Die Klageschrift wurde dem Beklagten am 3.3.2021 zugestellt. Noch am selben Tage haben die Prozessbevollmächtigten des Beklagten beim LG Potsdam einen Schriftsatz mit einem Antrag auf Klageabweisung eingereicht. Bereits zuvor hatte die Klägerin mit Schriftsatz vom 12.2.2021, beim LG Potsdam eingegangen am 16.2.2021, die teilweise Rücknahme der Klage erklärt. Dieser Schriftsatz ist dem Beklagten zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten erst am 6.4.2021 zugestellt worden. Das LG hatte es versäumt, den Schriftsatz vom 12.2.2021 zusammen mit der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens vom 24.2.2021 an den Beklagten zuzustellen. Bis zum 6.4.2021 hatten weder der Beklagte noch seine Prozessbevollmächtigten Kenntnis von der einige Wochen zuvor erfolgten Teil-Klagerücknahme.

Nach Beendigung des Rechtsstreits, in dem der Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt worden waren, hatten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten die Festsetzung des Gegenstandswertes beantragt. Das LG Potsdam hat den Gegenstandswert für die anwaltliche Verfahrensgebühr der Prozessbevollmächtigten des Beklagten auf bis zu 40.000,00 EUR und – wohl – daneben noch den Gegenstandswert für die Terminsgebühr in nicht bekannter Höhe festgesetzt. Hiergegen hat die Klägerin Beschwerde mit dem Ziel der Herabsetzung der Wertfestsetzung eingelegt. Das LG Potsdam hat der Beschwerde teilweise abgeholfen. In welchem Umfang die Teilabhilfe erfolgt ist, wird in den Beschlussgründen nicht mitgeteilt. Jedenfalls verblieb es noch bei der Festsetzung des Gegenstandswertes für die anwaltliche Verfahrensgebühr der Prozessbevollmächtigten des Beklagten auf bis zu 40.000,00 EUR. I.Ü. hat das LG Potsdam der Beschwerde der Klägerin nicht abgeholfen und sie dem OLG Brandenburg zur Entscheidung vorgelegt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Wertfestsetzungsbeschluss in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses hatte keinen Erfolg.

II. Höhe des Gegenstandswertes

Nach Auffassung des OLG Brandenburg hatte das LG Potsdam in seinem Wertfestsetzungsbeschluss in der Fassung seines Teilabhilfebeschlusses den Gegenstandswert für die anwaltliche Verfahrensgebühr der Prozessbevollmächtigten des Beklagten zutreffend auf bis zu 40.000,00 EUR festgesetzt. Dieser Wert entspreche auch dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwert. Demgegenüber sei eine Herabsetzung des Wertes – wie sie die Klägerin mit ihrer Beschwerde erstrebt hatte – nicht gerechtfertigt. Eine gestaffelte Festsetzung nach Zeitabschnitten komme nicht in Betracht.

Das OLG Brandenburg hat darauf hingewiesen, dass die anwaltliche Verfahrensgebühr mit dem Beginn der auftragsgemäßen Tätigkeit des Rechtsanwalts anfalle. Das sei hier spätestens am 3.3.2021 der Fall gewesen, da die Prozessbevollmächtigten des Beklagten an diesem Tage den Antrag auf Klageabweisung bei dem LG Potsdam eingereicht hätten. Dem steht nach Auffassung des OLG Brandenburg nicht entgegen, dass zu diesem Tage die Teil-Klagerücknahme der Klägerin mit Eingang ihres entsprechenden Schriftsatzes vom 16.2.2021 wirksam geworden war. Dieser Schriftsatz sei nämlich weder dem Beklagten noch deren Prozessbevollmächtigten bei Beginn der auftragsgemäßen Tätigkeit am 3.3.2021 bekannt gewesen.

Deshalb sei aus der Sicht des Beklagten die Zuziehung ihrer Rechtsanwälte zur Verteidigung gegen die Klage in vollem Umfang als notwendig anzusehen.

III. Bedeutung für die Praxis

1. Zulässigkeit der Festsetzung des Gegenstandswertes

Ob bei der gegebenen Sachlage die gesonderte Festsetzung des Gegenstandswertes auf Antrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zulässig gewesen ist, ist hier nicht unproblematisch. Gem. § 33 Abs. 1 RVG kommt nämlich eine gesonderte Festsetzung des Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit nur dann in Betracht, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen. Dies war hier jedoch – wie das OLG Brandenburg selbst ausführt – hinsichtlich der anwaltlichen Verfahrensgebühr der Fall, führt doch das OLG in den Beschlussgründen aus, der Gegenstandswert für die anwaltliche Verfahrensgebühr der Prozessbevollmächtigten des Beklagten entspreche dem Wert für die Gerichtsgebühren. Deshalb waren m.E. die Voraussetzungen für die Festsetzung des Gegenstandswertes für die Verfahrensgebühr der Prozessb...

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