§ 25 Abs. 1 Nr. 3, § 18 Abs. 1 Nr. 14 RVG; § 95 FamFG; Nr. 1600 FamGKG KV
Leitsatz
Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit bemisst sich im Vollstreckungsverfahren im Ergebnis nach dem vollen Wert des Erkenntnisverfahrens. Soweit sich gem. § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG der Wert der anwaltlichen Tätigkeit im erstinstanzlichen Verfahren nach dem Wert richtet, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat, ist damit der volle Wert des Erkenntnisverfahrens gemeint.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.3.2024 – 7 WF 25/24
I. Sachverhalt
Die Beteiligten hatten vor dem FamG einen Vergleich zum Umgang des Antragsgegners mit dem gemeinsamen Kind geschlossen. Der Vergleich wurde durch Beschluss des FamG familiengerichtlich gebilligt. Da der Antragsgegner sich nach Auffassung der Antragstellerin nicht an die Umgangsregelung hielt, beantragte diese beim FamG, ein Ordnungsgeld zu verhängen. Das FamG wies den Ordnungsmittelantrag der Kindesmutter zurück und verpflichtete sie, die Kosten des Vollstreckungsverfahrens zu tragen. Nach Zurückweisung des Ordnungsmittelantrags beantragte die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegner, den Wert der anwaltlichen Tätigkeit auf 4.000,00 EUR festzusetzen. Das FamG hat antragsgemäß festgesetzt und die Beschwerde zugelassen. Daraufhin hat die Antragstellerin Beschwerde erhoben und eine Herabsetzung des Gegenstandswerts auf 500,00 EUR beantragt. Das FamG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Übertragung auf den Senat
Der nach § 33 Abs. 8 S. 1 RVG grds. zur Entscheidung berufene Einzelrichter hat das Verfahren nach Anhörung der Beteiligten gem. § 33 Abs. 8 S. 2 RVG dem Senat in voller Besetzung zur Entscheidung übertragen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
III. Zulässigkeit der Beschwerde
Die gem. § 33 Abs. 3 RVG statthafte Beschwerde wahrt Form und Frist des § 33 Abs. 3 S. 3, Abs. 7 RVG und ist unabhängig vom Erreichen des Beschwerdewerts zulässig, nachdem das FamG die Beschwerde im angefochtenen Beschluss zugelassen hat, § 33 Abs. 3 S. 2 RVG. Weil ihr die Kosten des Vollstreckungsverfahrens auferlegt worden sind, ist die Antragstellerin als erstattungspflichtige Gegnerin auch beschwerdeberechtigt, § 33 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2 Var. 3 RVG.
IV. Wertfestsetzung ist zutreffend
Das FamG hat den Gegenstandswert zu Recht auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
1. Wertfestsetzung nach § 33 RVG ist zulässig
Der Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit war statthaft, da es für das gerichtliche Verfahren an einem Wert fehlt, § 33 Abs. 1 RVG. Eine Wertfestsetzung für Gerichtsgebühren findet gem. § 55 Abs. 1 S. 1 FamGKG nämlich nur dann statt, wenn in dem betreffenden Verfahren Gerichtsgebühren anfallen, die sich nach der Höhe des Verfahrenswerts richten. Im Zwangsvollstreckungsverfahren fallen aber gerichtliche Festgebühren an (vgl. hier Nr. 1602 FamGKG KV), sodass eine Verfahrenswertfestsetzung nicht in Betracht kommt und unzulässig wäre (vgl. OLG Nürnberg NJW-RR 2018, 1277 = AGS 2018, 406).
Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners war auch gem. § 33 Abs. 2 Var. 1 RVG antragsberechtigt. Jedenfalls mit Erlass der Kostenentscheidung wurde die Vergütung der Antragstellerin fällig, § 8 Abs. 1 S. 2 RVG, sodass auch § 33 Abs. 2 S. 1 RVG der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegensteht.
2. Wert richtet sich nach der Hauptsache
a) Maßgebend ist der Wert der zu erwirkenden Handlung, Duldung oder Unterlassung
Der Senat teilt die Auffassung des FamG, dass es vorliegend auf den Wert der Hauptsache ankommt. Gem. § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG richtet sich der Wert der anwaltlichen Tätigkeit im erstinstanzlichen Volltreckungsverfahren nach dem Wert, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat. Diese Gläubigersicht ist für beide erstinstanzlich tätigen Rechtsanwälte maßgeblich, also auch für die Antragstellerin, die den Kindesvater vertreten hat (so wohl auch OLG München AGS 2011, 248).
Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 25 Abs. 2 RVG, das vorliegende Vollstreckungsverfahren wurde gerade nicht durch den Schuldner eingeleitet.
c) Höhe des Ordnungsgeldes ist unerheblich
Der Wert des ggf. festzusetzenden Ordnungsgeldes ist nicht maßgeblich (BeckOK Streitwert/Dürbeck, Familienrecht – Ordnungsmittelverfahren Rn 3 m.w.N.). Die von der Beschwerdeführerin diesbezüglich angeführten Entscheidungen des BGH (NJW 2011, 3163) und des Senats (FamRZ 2021, 377) betreffen eine andere Konstellation. In diesen Entscheidungen wurde der Wert zwar nach der Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes bemessen. Die beiden Entscheidungen betreffen aber die Wertfestsetzung für ein Beschwerdeverfahren des Schuldners nach Festsetzung von Ordnungsmitteln. In dieser Konstellation ist gem. § 23 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2 RVG der Wert nach billigem Ermessen zu bestimmen, wobei es üblicher Praxis entspricht, das Interesse des Beschwerdeführers an der Nichtzahlung eines Ordnungsgeldes mit dessen Höhe zu bewerten. Auf das hier zu bewertende erstinstanzliche Verfahren ist dies nicht übertragbar, da...