1. Allgemeines
Im Rahmen des VKH-Bewilligungsverfahrens für den Antragsteller sind mehrere Voraussetzungen zu prüfen. Gem. § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 Abs. 1 S. 1 1. Hs. ZPO erhält eine Partei – ungeachtet der weiteren zur Gewährung von VKH notwendigen Voraussetzungen wie bspw. der zu bejahenden Erfolgsaussicht des zugrundeliegenden Anspruchs oder dass das Begehren nicht mutwillig erscheinen darf, § 114 Abs. 1 S. 1 2. Hs. ZPO – VKH, wenn sie die Kosten der Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, nur zum Teil oder aber auch nur in Raten aufbringen kann. Bei der Bewertung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist auch das seitens des Antragstellers frei verfügbare Einkommen dahingehend zu überprüfen, § 76 Abs. 1 FamFG, § 115 Abs. 1 S. 1 und S. 2, Abs. 2 ZPO, ob und in welcher Form dies zur Prozessfinanzierung einzusetzen ist.
Die VKH ist eine Form der staatlich gewährten Sozialhilfe für den Bereich der Rechtspflege (BGH NJW 2005, 2393 = AGS 2005, 160). Hierzu zählen gem. § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO grds. alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. In § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO und § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII ist der Einkommensbegriff identisch definiert. Durch die Verweise in § 115 Abs. 1 ZPO werden zahlreiche sozialrechtliche Vorschriften, insbesondere § 82 SGB XII nebst der hierzu erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch v. 28.11.1962 (BGBl I, 692), zuletzt geändert aufgrund des Gesetzes zur Anpassung des Zwölften und des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Gesetze v. 22.12.2023 (BGBl I Nr. 408), aber auch die Anlage zu § 28 SGB XII, § 21 SGB II und § 30 SGB XII zur Ermittlung des einzusetzenden Einkommens herangezogen (Lissner/Dietrich/Schmidt, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 4. Aufl., 2022, Rn 23). Maßgebend ist dabei immer das Einkommen der Hilfe suchenden Partei zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Bewilligung der VKH, das auch tatsächlich erzielt wird.
2. Kindergeld als einzusetzendes Einkommen
Gem. § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Gem. § 62 Abs. 1 EStG ist Anspruchsberechtigter von ausgezahltem Kindergeld nicht das Kind selbst, sondern derjenige Elternteil, der im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat oder wer als Ausländer die in § 62 Abs. 2 EStG genannten Kriterien erfüllt (Grube/Wahrendorf/Flint/Giere, SGB XII, 8. Aufl., 2024, § 82 Rn 53). Das Kind hat damit selbst keinen Kindergeldanspruch.
Wie das OLG Hamm ausführt, knüpft der Einkommensbegriff des § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO dabei an den Einkommensbegriff in § 82 Abs. 1 SGB XII an (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 32). Die Definition ist, wie bereits oben unter II. 1. erwähnt, in beiden Normen deckungsgleich. In § 115 Abs. 1 S. 3 ZPO wird dabei auf sozialrechtliche Vorschriften, wie bspw. im Rahmen der vorzunehmenden Abzüge auf § 82 Abs. 2 SGB XII, § 21 SGB II oder auch auf § 30 SGB XII verwiesen. Hieraus wird deutlich, dass sich der Einkommensbegriff des § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO an das Sozialhilferecht anknüpft. Auch in § 115 Abs. 3 ZPO wird betreffend die Fragestellung des Vermögenseinsatzes z.B. auf § 90 SGB XII verwiesen. PKH bzw. VKH findet daher als eine Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege Berücksichtigung (BGH NJW 2017, 962 = AGS 2017, 233). Dieser weit gefasste sozialhilferechtliche Begriff des Einkommens umfasst dabei alle Leistungen, die dem Leistungsberechtigten – ohne Rücksicht auf die Art der Leistungen und auf die Tatsache, ob diese laufend oder einmalig anfallen, – zufließen (BSG, Urt. v. 8.2.2007 – B 9b SO 5/06 R). Auch sozialhilferechtlich gesehen ist das ausgezahlte Kindergeld grds. dessen Einkommen, an den es als Leistungs- oder Abzweigungsberechtigten ausgezahlt wird (BSG, a.a.O.). Verfassungsrechtlich ist die grundsätzliche Anrechnung des gesamten Kindergeldes, soweit das Existenzminimum des Kindes nicht verletzt wird, unbedenklich (BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 11.3.2010 – 1 BvR 3163/09 – hier zur Anrechnung von Kindergeld auf Sozialgeld gem. § 11 Abs. 1 SGB II).
Vorliegend hat das OLG Hamm im Einklang mit der überwiegenden Meinung in Rspr. und Lit. (BGH NJW 2017, 962, OLG Dresden Beschl. v. 3.12.2021 – 22 WF 888/21; OLG Karlsruhe FamRZ 2016, 728; Zöller/Schultzky, ZPO, 35. Aufl., 2024, § 115 Rn 14; BeckOK ZPO/Vorwerk/Wolf/Reichling, 52. Ed., Stand: 1.3.2024, § 115 Rn 37; Saenger/Kießling, ZPO, 10. Aufl., 2023, § 115 Rn 12; MüKo-ZPO/Wache; 6. Aufl., 2020, § 115 Rn 22; Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 32; Schürmann, FamRB 2017, 141; Hellstab, Rpfleger 2018, 590; Christl, FamRZ 2020, 977) gem. § 82 Abs. 1 S. 6 SGB XII als Ausnahmevorschrift zu den einkommenssteuerrechtlichen Regelungen das Kindergeld dem jeweiligen minderjährigen Kind als Einkommen zugerechnet, soweit es bei diesem zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts benötigt wird (Grube/Wahrendorf/Flint/Giere, a.a.O., § 82 Rn 52). Es handelt sich hierbei um eine nor...