1. Zutreffende Entscheidung
Der Beschluss ist zutreffend. Er liegt auf der Linie der Rspr., die zunehmend in diesen Fällen dem Pflichtverteidiger alle Gebühren gewährt. Dabei soll es dahinstehen, ob die auf den Vorführtermin beschränkte Pflichtverteidigerbestellung, wie das LG meint, rechtswidrig war, oder ob nicht gerade aus § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO folgt, dass die Beschränkung zulässig ist. Dahinstehen kann m.E. auch, ob es darauf ankommt, ob der Beschuldigte bereits einen (Pflicht-)Verteidiger hatte. Denn selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, was man hier nach dem mitgeteilten Sachverhalt bezweifeln kann, ist der auch nur für den Vorführtermin m.E. immer "voller" Pflichtverteidiger, der einen Anspruch auf alle entstandenen Gebühren hat. Insoweit wird auf die dazu vorliegende Rspr. und meine Anmerkungen dazu in AGS verwiesen (s. OLG Brandenburg AGS 2024, 171; OLG Karlsruhe AGS 2023, 164 = NStZ-RR 2023, 159 = JurBüro 2023, 195; OLG Köln AGS 2024, 226; OLG Zweibrücken, AGS 2023, 310 = StraFo 2023, 335 = JurBüro 2023, 417; LG Aachen, Beschl. v. 20.10.2020 – 60 Qs 47/20; LG Frankenthal (Pfalz) AGS 2023, 219; LG Magdeburg AGS 2021, 427 (zum neuen Recht); LG Tübingen AGS 2023, 238; AG Halle (Saale) AGS 2022, 311; AG Tiergarten AGS 2022, 513).
2. Zusätzliche Gebühr Nr. 4142 VV
Interessant an der Entscheidung des LG ist über den Anschluss des LG an die wohl h.M. hinaus die Festsetzung der Zusätzlichen Gebühr Nr. 4142 VV. Das ist zutreffend. Dazu muss der Verteidiger in seinem Festsetzungsantrag allerdings vortragen, da das Entstehen der Gebühr sich nicht unbedingt aus der Akte ergibt (zur Nr. 4141 VV s. Burhoff, AGS 2024, 193).
3. Postentgeltpauschale
Zur Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV ist anzumerken: Der Verteidiger muss dazu in seinem Festsetzungsantrag vortragen. Es reicht für das Entstehen der Pauschale ein Brief oder ein Telefonat (Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Nr. 7002 VV Rn 1). Von daher ist es wahrscheinlich unzutreffend, dass das LG die Pauschale nicht festgesetzt hat, da im Zweifel das AG beim Rechtsanwalt R 2 angerufen und ihn gebeten hat, die Pflichtverteidigung zu übernehmen. Das reicht aber für das Entstehen der Pauschale aus.
4. Weitere Beschwerde
Und schließlich: Das LG hat gem. § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 6 S. 1 RVG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage, ob einem Pflichtverteidiger, dessen Beiordnung sich lediglich auf einen Vorführtermin nach § 115 StPO beschränkt, im Falle dessen, dass dem Beschuldigtem zu diesem Zeitpunkt noch kein (anderer) Pflichtverteidiger bestellt worden war, lediglich eine Verfahrensgebühr für eine Einzeltätigkeit nach der Nr. 4301 Nr. 4 VV zusteht oder er die Gebühren für einen "Vollverteidiger" i.S.d. Teils 4, Abschnitt 1 VV beanspruchen kann, Beschwerde zugelassen. Wir werden, da der Bezirksrevisor die Entscheidung des LG kaum "hinnehmen" wird, auch wenn sie richtig ist, dazu dann bald etwas vom OLG Koblenz hören.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 6/2024, S. 271 - 272