Der BGH stelle an die Nutzung des beA Sorgfaltsanforderungen. Dieser von der höchstrichterlichen Rspr. entwickelte Maßstab an den sorgfältigen Umgang mit dem beA gilt nach Auffassung des LG Limburg nicht nur in der Ziviljustiz. Seit dem 1.1.2022 müssen anwaltliche Schriftsätze als elektronisches Dokument gem. § 130d S. 1 ZPO über das beA bei Zivilgerichten eingereicht werden. Eine für die Strafjustiz gleich umfangreiche Regelung habe der Gesetzgeber bislang nicht getroffen. Mit der Einführung der §§ 32 ff. StPO habe der Gesetzgeber indes die Grundlagen für die elektronische Akte und die elektronische Kommunikation im Strafverfahren gelegt. Durch Inkrafttreten des § 32d StPO sollen Verteidiger und Rechtsanwälte den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln. Eine Pflicht zur elektronischen Übermittlung bestehe für die Berufung und ihre Begründung, die Revision, ihre Begründung und die Gegenerklärung sowie die Privatklage und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage.
1. Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen
Bediene sich der Strafverteidiger – unabhängig einer ggf. nur fakultativen Nutzung – zur Übermittlung eines Schriftstücks an das Strafgericht im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs dem beA, gelten für ihn aber – so das LG – zugleich die von der höchstrichterlichen Rspr. entwickelten Sorgfaltspflichten. Neben der Eingangskontrolle beim Empfang von Nachrichten verlange die höchstrichterliche Rspr. insbesondere eine umfangreiche Ausgangskontrolle beim Versand von beA-Nachrichten (vgl. dazu aus der Rspr. BGH NJW 2020, 1809; NJW-RR 2023, 425; NJW 2021, 3471).
2. Ausgangskontrolle
Die Ausgangskontrolle eines Schriftsatzes an das Gericht per beA beschränke sich nicht auf die bloße Kenntnisnahme der Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 ZPO (BGH NJW 2023, 1537). Die Kontrollpflicht umfasse die erforderliche Überprüfung, ob die Übermittlung vollständig, an den richtigen Empfänger und bezogen auf den ggf. angefügten Schriftsatz erfolgreich erfolgt sei (BGH NJW 2022, 3715). Für die Ausgangskontrolle des elektronischen Postfachs beA bei fristgebundenen Schriftsätzen genügt jedenfalls nicht die Feststellung, dass die Versendung irgendeines Schriftsatzes mit dem passenden Aktenzeichen an das Gericht erfolgt ist, sondern anhand des zuvor sinnvoll vergebenen Dateinamens sei auch zu prüfen, welcher Art der Schriftsatz war (BGH NJW 2023, 3434; NJW 2022, 3715; NJW 2020, 1809; NJW 2023, 1668).
Bei der Vergabe eines "sinnvollen" Dateinamens, der ohne Weiteres auch Rückschlüsse auf den Inhalt des Dokuments zulässt, könne sich der sorgfältige beA-Nutzer an den formalen Anforderungen der am 20.9.2017 erlassenen Verordnung der Bundesregierung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) orientieren. Zu den formalen Anforderungen an elektronische Dokumente sehe § 2 Abs. 2 ERVV vor: Der Dateiname solle den Inhalt des elektronischen Dokuments schlagwortartig umschreiben und bei der Übermittlung mehrerer elektronischer Dokumente eine logische Nummerierung enthalten. Der Dateiname des Schriftsatzes soll der üblichen Bezeichnung in der jeweiligen Prozessordnung entsprechen, also bspw. als Klageschrift, Klageerwiderung, Berufungs- oder Revisionsschrift oder Kostenfestsetzungsantrag bezeichnet werden. Der Schriftsatz und die Anlagen sollen neben der Inhaltsbezeichnung durch die Voranstellung einer Nummerierung (etwa 01, 02, 03 …) geordnet werden (BR-Drucks 645/17, 2, 13).
3. Anforderungen hier nicht erfüllt
Diesen Anforderungen sei die Ausgangskontrolle des Verteidigers des Betroffenen unter Zugrundelegung des Wiedereinsetzungsvortrags nicht gerecht geworden. Die vom Verteidiger vorgelegte Dokumentation zur beA-Nachricht lasse nicht den Schluss zu, dass die sofortige Beschwerde innerhalb der Beschwerdefrist des § 464b S. 4 StPO beim AG eingegangen sei. Den Darlegungen lasse sich nämlich nicht entnehmen, dass der Verteidiger eine hinreichende Ausgangskontrolle in Eigenverantwortung gewährleistet habe. Ohnehin würde die Kontrolle des zu übersendenden Dokuments durch eine Kanzleikraft im Vorfeld des elektronischen Versands nicht zu einer Herabsetzung der Sorgfaltsanforderungen an die Überprüfung der Eingangsbestätigung führen (BGH NJW 2023, 3434).
Aus dem vorgelegten Prüfprotokoll für den 28.7.2022 über Schriftsätze in dieser Sache ergebe sich, dass hier die der beA-Nachricht angehängte Datei "a-b-c-d.pdf" versandt worden sei. Für diese Tatsache genüge der vorgelegte beA-Sendenachweis. Soweit der Verteidiger darüber hinaus mit der Vorlage auch den Nachweis zu erbringen versuche, dass es sich bei dem Anhang inhaltlich um die sofortige Beschwerde handelte, gelinge das nicht. Eine sorgfältige Ausgangskontrolle anhand eines sinnvoll gewählten Date...