Die Reisekosten des auswärtigen Anwalts in der Prozesskostenhilfe
In meinen Seminaren stoße ich immer wieder auf überraschte Gesichter, wenn ich mitteile, dass auch ein im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt seine Reisekosten aus der Landeskasse erhält. Vielen Anwälten ist dies offenbar gar nicht bekannt. Häufig bekommt man zur Antwort: "Bei unserem Amtsgericht werden keine Reisekosten gezahlt." Auf die Frage, ob die Reisekosten denn überhaupt zur Festsetzung angemeldet worden sind, erwidern die Kollegen dann kleinlaut, dass sie dies nicht gemacht hätten. Wenn ein Anwalt aber keine Reisekosten anmeldet, dann ist es auch nicht verwunderlich, dass die Landeskasse keine auszahlt.
Selbstverständlich muss die Landeskasse - auf Antrag - auch Reisekosten übernehmen. Dies folgt aus § 46 RVG, wonach notwendige Auslagen, insbesondere Reisekosten, zu übernehmen sind. In welchem Umfang Reisekosten aus der Landeskasse zu ersetzen sind, kommt darauf an, wie sich der Kanzleisitz zum Sitz des Gerichts verhält.
Hat der Anwalt seine Kanzlei im selben Ort, in dem sich das Gericht befindet, dann fallen nach Vorbem. 7 Abs. 2 VV erst gar keine Reisekosten an. Wenn aber keine Reisekosten anfallen, können auch keine aus der Landeskasse gezahlt werden.
Hat der Anwalt seine Kanzlei im Gerichtsbezirk, allerdings in einer anderen politischen Gemeinde als das Gericht, dann kann er nicht eingeschränkt beigeordnet werden. Diese Möglichkeit bestand noch nie, weil die ZPO dies nicht hergibt (arg. e § 120 Abs. 3 ZPO). Nach der BRAGO wurden die Mehrkosten eines Anwalts, die dadurch entstanden, dass er seine Kanzlei nicht am Sitz des Gerichts hatte, nicht übernommen (§ 126 S. 2 BRAGO). Seit Einführung des RVG (1.7.2004) ist diese Einschränkung entfallen. Der im Gerichtsbezirk niedergelassene (früher: am Gericht zugelassene) Anwalt erhält daher seine Reisekosten stets aus der Landeskasse (zuletzt OLG Dresden AGS 2006, 393). Ergeht ein unzutreffender einschränkender Beiordnungsbeschluss, dann muss der Anwalt sich dagegen mit der Beschwerde wehren. Spätestens das Beschwerdegericht wird ihn uneingeschränkt beiordnen, so dass er dann seine Reisekosten auch abrechnen kann.
Hat der Anwalt seine Kanzlei nicht im Gerichtsbezirk, so kann er eingeschränkt beigeordnet werden, nämlich zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts, wenn anderenfalls Mehrkosten entstehen würden.
Hier ist zwischen Kosten und Mehrkosten zu unterscheiden. Zu fragen ist nämlich, ob die bedürftige Partei auch einen Anspruch auf einen Verkehrsanwalt hätte, der unter den Voraussetzungen des § 120 Abs. 4 ZPO beizuordnen ist. Ist dies der Fall, weil die Sache eine gewisse Schwierigkeit aufweist und eine Reise der Partei in den Gerichtsbezirk, um dort einen ansässigen Anwalt zu beauftragen, unzumutbar ist, hat sie einen Anspruch auf einen Verkehrsanwalt. Will sie stattdessen aber einen ortsansässigen Anwalt beauftragen, der dann zum auswärtigen Gericht fahren soll, muss dieser grundsätzlich uneingeschränkt beigeordnet werden. Zwar entstehen durch seine Reise zum Gericht Kosten, aber keine Mehrkosten, weil gleichzeitig die Kosten eines Verkehrsanwalts erspart werden. Nur dann, wenn die Kosten eines Verkehrsanwalts höher liegen als die zu erwartenden Reisekosten oder wenn ein Verkehrsanwalt nicht erforderlich ist, kann der auswärtige Anwalt eingeschränkt beigeordnet werden (siehe BGH 2004, 349 = AGS 2004, 349 = FamRZ 2004, 1362 = NJW 2004, 2749 = BGHReport 2004, 1371 = JurBüro 2004, 604 = Rpfleger 2004, 708 = RVGreport 2004, 356).
Ist ein solcher Fall ausnahmsweise gegeben, dann darf die Einschränkung nur dahingehend lauten, dass der auswärtige Anwalt zu den Bedingungen "eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts" beigeordnet wird. Eine Beiordnung zu den Bedingungen eines "am Gerichtsort ansässigen Anwalts" ist nicht zulässig.
Ist der Anwalt zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet worden, dann ist damit sein Anspruch auf Übernahme von Reisekosten seitens der Landeskasse nicht ausgeschlossen; vielmehr kann er seine tatsächlich angefallenen Reisekosten in derjenigen Höhe aus der Landeskasse verlangen, in der sie bei einem im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalt angefallen wären. Da jeder im Gerichtsbezirk niedergelassene Anwalt uneingeschränkt beigeordnet werden muss, kann sich der auswärtige Anwalt auf die weiteste Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks berufen (VG Oldenburg, Beschl. v. 12.5.2009 - 11 A 48/08, zur Veröffentlichung vorgesehen in AGS Heft 8).