ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, 2; RVG VV Nr. 7003
Leitsatz
- Reisekosten eines weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftssitz einer Partei ansässigen Prozessbevollmächtigten zur Terminswahrnehmung sind jedenfalls insoweit zu erstatten, als sie sich im Rahmen der erstattungsfähigen Reisekosten halten, die angefallen wären, wenn die Partei einen an ihrem Wohnort/Sitz ansässigen Rechtsanwalt beauftragt hätte.
- Der Rechtsanwalt braucht in den Grenzen des Missbrauchs nicht zu prüfen, ob die Benutzung eines anderen Verkehrsmittels billiger gewesen wäre als die des eigenen Kraftfahrzeugs.
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 8.1.2009–5 W 262/08–K5
1 Sachverhalt
Die Klägerin ist ein auf dem Gebiet der Energielieferung tätiges C.-Unternehmen mit Sitz in B1. Sie beauftragte die – sie ständig in Rechtsstreitigkeiten über Wärmelieferungsverträge vertretenden – Rechtsanwälte aus B2 mit der gerichtlichen Verfolgung von Ansprüchen gegenüber der Beklagten aus einem ursprünglich zwischen einer Firma W. W. GmbH und einer Firma E. W. GmbH geschlossenen Wärmeliefervertrag. Die Prozessbevollmächtigten nahmen in dem vor dem LG Saarbrücken geführten Rechtsstreit am 12.6.2007 und am 9.10.2007 Verhandlungstermine wahr. In dem am 23.10.2007 verkündeten Urteil des LG wurden die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt.
Die Beklagte wendet sich gegen die Festsetzung der Reisekosten. Sie trägt vor, es sei davon auszugehen, dass die Klägerin ihre in B2 niedergelassenen und damit nicht in ihrer Nähe ansässigen Rechtsanwälte schriftlich informiert habe, so dass nicht einzusehen sei, weshalb nicht genauso gut ein in Saarbrücken ansässiger Anwalt hätte mandatiert werden können. Außerdem hält sie die Kosten deshalb für überhöht, weil anstelle des eigenen Pkw öffentliche Verkehrsmittel hätten benutzt werden können.
Die Klägerin beruft sich unter anderem darauf, dass sie nicht gezwungen sei, einen Prozessbevollmächtigten unmittelbar an ihrem eigenen Geschäftssitz zu konsultieren. Außerdem werde sie – von der Beklagten unbestritten – in einer Vielzahl von Klageverfahren im K.-/B2-Raum von derselben Anwaltssozietät vertreten, so dass ihr eine Beauftragung anderer Rechtsanwälte in Saarbrücken im hier gegebenen Fall nicht zuzumuten gewesen sei.
Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die im angefochtenen Beschluss festgesetzten Fahrtkosten gem. Nr. 7003 VV und das Tage- und Abwesenheitsgeld gem. Nr. 7005 Nr. 2 VV wurden zu Recht festgesetzt. Diese stehen im Zusammenhang mit zwei Reisen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu den Verhandlungsterminen des LG, welche als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen sind (§ 91 Abs. 1 S. 1, 2 ZPO). Die Kosten sind der Höhe nach – von der Beklagten insoweit nicht in Zweifel gezogen – zutreffend berechnet worden.
Ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, entscheidet sich danach, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte zu ergreifen. Es obliegt ihr lediglich, unter mehreren gleich gearteten Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (BGH, Beschl. v. 11.11.2003 – VI ZB 41/03, NJW-RR 2004, 430).
Für Reisekosten des Rechtsanwalts gilt der Grundsatz, dass diejenige Partei, die vor einem auswärtigen Gericht klagt oder verklagt wird, einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt beauftragen kann. Sie darf in aller Regel berechtigterweise annehmen, ihr Rechtsanwalt sei zur sachgemäßen Beratung auf ihre persönlich und mündlich erteilten Informationen angewiesen (BGH, Beschl. v. 16.10.2002 – VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898). Da das Kostenfestsetzungsverfahren ein auf möglichst unkomplizierte Abwicklung angewiesenes Massenverfahren ist, sind bei der Prüfung der Erstattungsfähigkeit solcher Kosten keine übermäßig differenzierten Einzelfallbetrachtungen geboten (vgl. BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – V ZB 85/06, NJW 2007, 2048).
Für bestimmte Fallgruppen erkennt die Rspr. Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort niedergelassenen Rechtsanwalts allerdings nicht an, nämlich dann, wenn sich schon im Zeitpunkt der Beauftragung ein eingehendes Mandantengespräch als für die Prozessführung nicht erforderlich darstellt. Solches kommt insbesondere in Betracht bei gewerblichen Unternehmen, die über eine eigene die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügen. Zwar hat die Klägerin eine Rechtsabteilung eingerichtet. Diese ist aber – von der Beklagten unwidersprochen – in erster Linie mit Inkassoaufgaben betraut. Für die Bearbeitung einer problematischen Rechtsstreitigkeit – wie sie hier schon wegen der Komplexität der Vertragsverhältnisse und der streitigen Fragen der Rechtsnachfolge gegeben war – ist sie nicht zuständig. Dass die Klägerin für solche Angelegenheiten keine eigenen Mitarbeiter mit einer für die Bearbeitung von Rechtsfällen erforderlichen Sachkunde beschäftigt un...