Die beigeordnete Rechtsanwältin und damit auch die Zessionarin haben gegen die Staatskasse Anspruch auf Festsetzung der geltend gemachten vollen Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV. Eine Teilanrechnung der von den Klägern erhaltenen Geschäftsgebühr auf die von der Staatskasse gem. § 49 RVG geschuldete Verfahrensgebühr ist nicht gerechtfertigt.

1. Zwar ist Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV, wonach die wegen desselben Gegenstandes nach Nrn. 2300–2303 VV entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist, auch anzuwenden, wenn dem Mandanten im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren der Rechtsanwalt beigeordnet wird. Die Vorbem. 3 Abs. 4 VV enthält insoweit keine Differenzierung. Die Anrechnung hat daher immer dann zu erfolgen, wenn vorprozessual eine Geschäftsgebühr entstanden ist und in einem nachfolgenden Verfahren eine Verfahrensgebühr anfällt, mag diese auch wegen Anwendung der Gebührenbestimmung des § 49 RVG geringer sein.

Die Anrechnungsregel gilt allerdings grundsätzlich nur im Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten. Sie wirkt nicht ohne weiteres auch im Verhältnis zu Dritten, namentlich also in Kostenfestsetzungsverfahren.

Dies hat der Gesetzgeber nunmehr durch Einführung des § 15a Abs. 2 RVG, der auch für so genannte Altfälle gilt (vgl. Senatsbeschl. v. 29.4.2010–2 WF 6/10; BGH FamRZ 2010, 456 [= AGS 2010, 54] u. 2009, 1822 [= AGS 2009, 466]) klargestellt. Danach kann ein Dritter sich auf die Anrechnungsregelung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.

Im Kostenfestsetzungsverfahren des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse ist letztere Dritte in diesem Sinne.

Die durch die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts entstandene Geschäftsgebühr ist von der Beiordnung nicht umfasst, weil diese nur die Gebühren des gerichtlichen Verfahrens betrifft. Insoweit besteht mithin auch kein Anspruch des Rechtsanwalts gegenüber der Staatskasse, sondern lediglich gegenüber seinem Mandanten. Die Voraussetzungen, unter denen sich die Staatskasse als Dritter auf die Anrechnungsvorschriften der Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV berufen könnte, dürften daher grundsätzlich nicht gegeben sein.

Der beigeordnete Rechtsanwalt hat deshalb im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 55 RVG zunächst Anspruch auf Festsetzung der vollen Verfahrensgebühr nach der Prozesskostenhilfetabelle (§ 49 RVG).

2. Allerdings darf der beigeordnete Rechtsanwalt nicht besser stehen als der Wahlanwalt.

Es gilt daher zu vermeiden, dass er einerseits vom Mandanten die Geschäftsgebühr und daneben von der Staatskasse die volle Verfahrensgebühr nach § 49 RVG erhält, wenn diese Zahlungen in der Summe höher sind als das, was er als Wahlanwalt insgesamt von seinem Mandanten erhalten würde.

Denn der Anspruch gegen die Staatskasse sowie der gegen den Mandanten stehen zueinander in einem Abhängigkeitsverhältnis.

Deshalb ist es sachgerecht, dass der Rechtsanwalt sich erhaltene Zahlungen auf den Teil der Geschäftsgebühr, der – im Innenverhältnis zum Mandanten – auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, auf den Erstattungsanspruch gegenüber der Staatskasse anrechnen lassen muss.

Insoweit ist die Sachlage vergleichbar mit derjenigen, in der ein Anwalt von seinem Mandanten Vorschüsse oder Zahlungen auf Gebühren für das gerichtliche Verfahren erhalten hat.

Für deren Anrechnung gilt § 58 Abs. 2 RVG. Danach ist der Rechtsanwalt berechtigt, erhaltene Vorschüsse und Zahlungen zunächst auf die Gebühren zu verrechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht, mithin auf die (höheren) Wahlanwaltsgebühren nach § 13 RVG.

Die Zahlung, die der beigeordnete Rechtsanwalt von seinem Mandanten oder einem Dritten auf den Teil der Geschäftsgebühr erhalten hat, der auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, ist demnach nur insoweit auf seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse anzurechnen, als sie die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und der Prozesskostenhilfevergütung für das konkrete Verfahren übersteigt (so auch OLG Frankfurt/M. JurBüro 2007, 149; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., § 58 Rn 35 ff. m.w.N.; a.A. etwa OLG Düsseldorf JurBüro 2009, 188 [= AGS 2009, 123; Hessisches LAG JurBüro 2009, 586 [= AGS 2009, 373 ]- allerdings unter Außerachtlassung der gebotenen Differenzierung zwischen Innenverhältnis und Außenverhältnis bei der Frage der Anwendbarkeit der Anrechnungsregelung in Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV).

Vorliegend ist unstreitig eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV für die vorgerichtliche Tätigkeit der später beigeordneten Rechtsanwältin für die Kläger in Höhe von 535,60 EUR (Gebührensatz 1,3 aus einem Gegenstandswert von 7 392,00 EUR und Wertansatz nach § 13 RVG) zuzüglich 19 % Umsatzsteuer entstanden un...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?