RVG VV Nrn. 1000, 1003
Leitsatz
Der Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs löst eine Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV aus, wenn mangels vollständiger Ermittlungen weder die Person des Ausgleichspflichtigen noch die Höhe des Ausgleichs bekannt sind.
KG, Beschl. v. 12.10.2009–19 WF 90/09
Aus den Gründen
Dem Beschwerdeführer ist eine Einigungsgebühr gem. Nrn. 1000, 1003 VV nach dem Wert der Folgesache Versorgungsausgleich (2.000,00 EUR) zu vergüten.
Die Erklärung der Eheleute im Termin, dass sie wegen der kurzen Dauer der Ehe, deren Kinderlosigkeit sowie der geringfügigen rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit gegenseitig auf Versorgungsausgleichsansprüche verzichten würden, beinhaltet eine über den bloßen Verzicht hinausgehende Einigung, da mangels abschließender Ermittlungen der Versorgungsanwartschaften der Eheleute weder die Person des Ausgleichsberechtigten noch die Höhe eines Ausgleichs feststanden. Das AG ist zwar in Übereinstimmung mit der Rspr. des Senats davon ausgegangen, dass der Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs grundsätzlich eine Erklärung ist, die eine Einigungsgebühr nicht auslöst; denn da nur einer der Parteien ein Ausgleichsanspruch zusteht, handelt es sich regelmäßig nur um den Verzicht eines Beteiligten. Dieser Grundsatz gilt uneingeschränkt aber nur, wenn die Höhe der jeweiligen Versorgungsanwartschaften feststeht und so der Ausgleichspflichtige bekannt ist oder zumindest bekannt sein kann (so in dem Verfahren 19 WF 255/07).
Eine abweichende Beurteilung ist aber gerechtfertigt, wenn mangels (vollständiger) Ermittlungen weder die Person des Ausgleichspflichtigen noch die Höhe eines Ausgleichs bekannt sind (ebenso z.B. OLG Zweibrücken OLGR 2009, 581[= AGS 2009, 486]; OLG Köln NJW 2009, 237; OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1463 f. [= AGS 2008, 172] und 2142; OLG Celle FamRZ 2007, 2001; a.A. OLG Karlsruhe NJW 2007, 1072 [= AGS 2007, 135]). In diesem Fall besteht eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis im Sinne von Nr. 1000 VV, das durch die Einigung beseitigt wird. Nach dem zweiten Halbsatz der Anm. Abs. 1 zu Nr. 1000 VV reicht zwar ein einseitiger Verzichts oder ein Anerkenntnis für die Entstehung der Einigungsgebühr nicht aus. Dieser Ausschlussgrund besteht aber nur dann, wenn der von den Beteiligten geschlossene Vertrag das Anerkenntnis der gesamten Forderung durch den Schuldner oder den Verzicht des Gläubigers auf den gesamten Anspruch ausschließlich zum Inhalt hat (BGH MDR 2007, 492 [= AGS 2007, 57]). Das ist – ebenso wie bei der Kombination von Anerkenntnis und Verzicht (BGH a.a.O.; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., Nr. 1000 VV Rn 182) – dann nicht der Fall, wenn beide Beteiligte einen Verzicht erklären ohne wissen zu können, wer tatsächlich eine Position verliert.
Die Beschwerde ist unbegründet, soweit der Beschwerdeführer die Einigungsgebühr nach dem Wert des gesamten Verfahrens einschließlich der Scheidungssache begehrt. Die Einigungsgebühr kann nur nach dem Wert der Folgesache Versorgungsausgleich ermittelt werden, § 15 Abs. 3 RVG. Nur hinsichtlich dieses Verfahrensgegenstands wurde das Verfahren durch die Einigung der Eheleute gütlich beendet. Hinsichtlich der Ehescheidung konnte durch die Einigung die "Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis" (Nr. 1000 VV) nicht beseitigt werden, da sie nicht der Disposition der Eheleute unterliegt.
Anmerkung
In Ehesachen (§ 121 FamFG) und Lebenspartnerschaftssachen nach § 269 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 FamFG ist die Vorschrift der Nr. 1000 VV unanwendbar (Anm. Abs. 5 S. 1 zu Nr. 1000 VV). Die Einigungsgebühr kann also nie für die Ehe- oder Lebenspartnerschaftssache selbst entstehen, sondern nur für Folgesachen (Anm. Abs. 5 S. 2 zu Nr. 1000 VV). Als Ausgleich dafür gewährt Nr. 1001 VV eine Aussöhnungsgebühr, wenn sich die Eheleute oder Lebenspartner aussöhnen und der Rechtsanwalt hieran mitgewirkt hat.