FGG-ReformG Art. 111 Abs. 4; FamGKG §§ 34, 50
Leitsatz
Der Verfahrenswert bei wiederaufgenommenen ausgesetzten Versorgungsausgleichsverfahren ist mit 10 Prozent des dreifachen Nettoeinkommens der Parteien je Anrecht anzusetzen, wobei hierfür die Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages maßgebend sind.
OLG Jena, Beschl. v. 14.6.2010–1 WF 204/10
Sachverhalt
Das AG hatte mit Urt. v. 8.3.2001 die Ehe der Parteien geschieden und das Versorgungsausgleichsverfahren nach § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG ausgesetzt.
Die Antragsgegnerin beantragte am 5.11.2009 die Wiederaufnahme des Versorgungsausgleichsverfahrens aufgrund des angestrebten Bezuges einer Erwerbsunfähigkeitsrente.
Nach den neu eingeholten Auskünften der Versorgungsträger hat der Ehemann in der gesetzlichen Rentenversicherung ehezeitliche Anwartschaften Ost und die Ehefrau sowohl Ost- als auch Westanrechte erworben.
Das AG hat mit Beschluss vom 15.5.2010 den Versorgungsausgleich geregelt, die Westanwartschaften der Ehefrau dem Ausgleich allerdings nicht unterzogen (§ 18 Abs. 2 VersAusglG).
Darüber hinaus setzte das AG den Verfahrenswert unter Berücksichtigung dreier Anrechte sowie eines 10-prozentigen Anteils des in drei Monaten erzielten gemeinsamen Nettoeinkommens von 680,00 EUR auf 2.040,00 EUR fest und ließ die Beschwerde hinsichtlich der Festsetzung ausdrücklich zu.
Mit ihrer Beschwerde erstrebt die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners die Anhebung des Verfahrenswertes unter Berücksichtigung des Ansatzes von 20 % des gemeinsamen Nettoeinkommens der Eheleute.
Auf die Beschwerde hin hat das Gericht den Verfahrenswert auf 1.043,04 EUR festgesetzt.
Aus den Gründen
a) Das AG hat das wiederaufgenommene Versorgungsausgleichsverfahren zutreffend nach Art. 111 Abs. 4 FGG-RG als selbstständige Familiensache unter Anwendung des ab dem 1.9.2009 geltenden Rechts fortgeführt (vgl. auch Keidel/Engelhardt, FamFG, Art. 111 FGG-RG Rn 8).
Die Regelung des Art. 111 FGG-RG ist ebenfalls für die Anwendung des Kostenrechts maßgebend und verdrängt insbesondere § 63 FamGKG (vgl. Schneider/Wolf/Volpert, FamGKG, § 63 Rn 13 ff; Gerhardt/Keske, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 7. Aufl., Kap. 17 Rn 103).
b) Die Berechnung des Verfahrenswerts richtet sich dementsprechend, wie das FamG damit zutreffend dargestellt hat, nach § 50 Abs. 1 FamGKG. Danach beträgt der Verfahrenswert in Versorgungsausgleichssachen für jedes Anrecht 10 Prozent, bei Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung für jedes Anrecht 20 Prozent des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten, insgesamt mindestens 1.000 EUR.
c) Der Verfahrenswert in Versorgungsausgleichssachen ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin allerdings nur dann mit 20 Prozent des dreifachen Nettoeinkommens der Parteien je Anrecht anzusetzen, wenn der Versorgungsausgleich nach § 20 bis § 27 VersAusglG durchgeführt wird, nicht aber auch dann, wenn ein Ausgleich auf der Grundlage von § 1 bis § 19 VersAusglG zeitlich nach der Scheidung erfolgt (vgl. OLG Nürnberg, Beschl. v. 6.5.2010–7 WF 598/10; so wohl auch Borth, Versorgungsausgleich, 5. Aufl., Rn 1120; Schneider/Wolf/Volpert, a.a.O., § 50 Rn 12; Hartmann, KostG, 40. Aufl., § 50 FamGKG Rn 4 und 5; Enders, JurBüro 2009, 341; Schneider, FamRZ 2010, 87 ff; Grabow, FamRB 2010, 93).
Ein derartiger Verweis auf den Ausgleich nach §§ 20 ff. VersAusglG findet sich im Übrigen auch in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks 16/11903, S. 61). Dort heißt es: "In § 50 Absatz 1 Satz 1 FamGKG wird zunächst eine Sonderregel für die Bestimmung des Verfahrenswertes bei Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung (§ 20 ff. VersAusglG) eingefügt: In diesen Fällen beträgt der Verfahrenswert für jedes Anrecht 20 Prozent des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten."
d) Das AG hat für die Wertermittlung darüber hinaus beanstandungsfrei das Nettoeinkommen der Ehegatten zum Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages seiner Berechnung zugrunde gelegt. Die Frage, welcher Zeitpunkt für die Bewertung des Nettoeinkommens maßgebend ist, wird allerdings nicht einheitlich beantwortet (vgl. Grabow, a.a.O.; Schneider, a.a.O.).
Ausgangspunkt ist § 34 FamGKG. Danach gilt in Antragsverfahren der Wert bei erstmaliger Antragstellung und in Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden, der Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühr.
Der Senat schließt sich der Auffassung von Schneider (a.a.O.) und Thiel (in Schneider/Wolf/Volpert, a.a.O., § 50 Rn 16) an und stellt auf den Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages ab (§ 34 S. 1 FamGKG). Denn bei dem Versorgungsausgleichsverfahrens handelt es sich um ein Antragsverfahren, da letztlich erst mit dem Scheidungsantrag auch die Verbundsache Versorgungsausgleich eingeleitet wird. Ein von Amts wegen einzuleitendes (isoliertes) Versorgungsausgleichsverfahren ist dem Gesetz fremd. Es ist vielmehr an den Scheidungsantrag gebunden, von dessen Schicksal abhängig und damit lediglich die zwingende Folge des freiwilligen Scheidungsantrages. Damit unterscheidet ...