RVG §§ 46 Abs. 1, 47 Abs. 1 BGB § 670
Leitsatz
Zur Vergütung eines PKH-Anwalts i.S.d. § 47 Abs. 1 RVG zählen auch Auslagen, soweit sie zur sachgemäßen Durchführung seines Auftrags erforderlich sind, z.B. die Kosten für die Einholung eines für die sachgerechte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung seiner Partei erforderlichen Privatgutachtens. Dem beigeordneten Rechtsanwalt ist für derartige Auslagen aus der Staatskasse ein angemessener Vorschuss gem. § 47 Abs. 1 S. 1 RVG zu gewähren.
OLG Hamm, Beschl. v. 14.5.2013 – I-25 W 94/13
1 Aus den Gründen
Die nach § 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
I. Das LG hat die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die Ablehnung der Anweisung eines Kostenvorschusses für die Einholung eines Privatgutachtens zu Unrecht zurückgewiesen, denn der diesbezügliche Antrag war zulässig und begründet.
Dem Antrag fehlt nicht deshalb des Rechtsschutzbedürfnis, weil das LG bereits am 27.2.2013 die mündliche Verhandlung geschlossen hat und der Kläger aufgrund dessen nicht mehr die Möglichkeit hat, das durch das LG eingeholte Sachverständigengutachten mit Hilfe eines Privatgutachtens anzugreifen. Der Kläger hat im Falle der Zubilligung eines Kostenvorschusses zumindest die Möglichkeit im Falle eines auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen gestützten ihn beschwerenden Urteils des LG, dieses im Wege der Berufung gestützt auf ein Privatgutachten anzugreifen.
II. Der Antrag auf Gewährung eines Kostenvorschusses ist auch in der Sache gerechtfertigt.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers kann nach § 47 Abs. 1 RVG wegen seiner Vergütung einen Vorschuss beanspruchen. Zu der Vergütung zählen auch die Auslagen des Rechtsanwalts, es sei denn, sie waren nach § 46 Abs. 1 RVG zur sachgemäßen Durchführung des Auftrages nicht erforderlich.
1. Die Aufwendungen für die Einholung eines Privatgutachtens stellen im vorliegenden Fall Auslagen des Rechtsanwalts dar. Hierzu rechnen Aufwendungen des Rechtsanwalts, die der beigeordnete Rechtsanwalt tätigt, weil seine Partei hierzu nicht in der Lage ist, wie z.B. die Bezahlung von Privatgutachterkosten (vgl. dazu Zöller/Geimer § 121 ZPO Rn 39 mit weiteren Nachweisen, § 122 ZPO Rn 7, OLG Stuttgart KostRsp. § 126 BRAGO Nr. 20 m. Anm. Schneider; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 24.10.1994 – 11 L 6302/91).
Zu den Auslagen i.S.d. § 46 Abs. 1 RVG, rechnen alle Aufwendungen, die der beigeordnete Rechtsanwalt aufgrund des Mandantenverhältnisses nach §§ 670, 675 BGB von seinem Mandanten beanspruchen kann, denn § 46 Abs. 1 RVG beinhaltet keine Begrenzung der Erstattungsfähigkeit auf bestimmte Ausgabenarten (vgl. Niedersächsisches OVG a.a.O.). Zu den nach § 670 BGB erstattungsfähigen Aufwendungen rechnen auch Privatgutachterkosten, wenn sie der Rechtsanwalt nach den Umständen für erforderlich halten darf. Da dies immer dann der Fall ist, wenn die Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind, besteht insoweit zwischen § 670 BGB und § 46 Abs. 1 RVG ein Gleichklang.
Anderenfalls ergäbe sich eine systemwidrige Lücke im Rechtsschutz der bedürftigen Partei. Die Partei hat auch im Falle der Prozesskostenbewilligung Auslagen selbst aufzubringen (vgl. Zöller/Geimer § 122 ZPO Rn 7). Ihr kann aus diesem Grund für die Begleichung von Privatgutachterkosten kein Vorschuss gezahlt werden.
Würde man dann die von dem beigeordneten Rechtsanwalt vorgestreckten Aufwendungen für ein Privatgutachten nicht als Auslagen des Rechtsanwalts anerkennen, liefe dies auf eine Behinderung der bedürftigen Partei bei der auch ihr zustehenden umfassenden Wahrnehmung ihrer Rechte hinaus, denn sie müsste- wäre die Finanzierung nicht sichergestellt – auf eine zur Durchsetzung ihrer Rechte gebotene sachverständige Hilfe anders als die solvente Partei verzichten.
Wenn aber die Privatgutachterkosten – falls sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren – als Auslagen anzuerkennen sind, soweit der Rechtsanwalt sie für die Partei beglichen hat, muss er – wenn er für die Partei ein Privatgutachten in Auftrag geben will – auch einen angemessenen Vorschuss beanspruchen können. Anderenfalls würde er zu einer Vorleistung gezwungen, was § 47 Abs. 1 RVG gerade verhindern will.
2. Die Aufwendungen für die Beauftragung eines Privatgutachters sind zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich.
In Bezug auf prozessbegleitend eingeholte Privatgutachten ist die Erstattungsfähigkeit entsprechender Aufwendungen allerdings insoweit eingeschränkt, dass es Sache des Gerichts ist, Beweiserhebungen durch Einholung von Sachverständigengutachten durchzuführen. Die Rspr. hat die Erstattungsfähigkeit prozessbegleitender Privatgutachten aber dann bejaht, wenn es darum geht, ein gerichtliches Gutachten zu überprüfen, zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern (vgl. dazu OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.11.2001 – 8 W 481/01, sowie Beschl. v. 11.7.2007 – 8 W 265/07 Rn 11; OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.6.2001 – 4 W 2053/01; OLG Koblenz, Beschl. v. 21.8.2007 – 14 W 608/07; OLG C...