Die Entscheidung ist unzutreffend und widerspricht der h.M. Auch in Straf- und Bußgeldsachen kann bei der Vorschussanforderung von der Mittelgebühr ausgegangen werden. Das Recht auf Vorschuss erstreckt sich auf die voraussichtlich anfallenden Gebühren. Insoweit kann aber im Voraus nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass die Sache unterdurchschnittlich bleiben wird.
Angemessener Vorschuss in Bußgeldsachen
Bei der Vorschussanforderung des Rechtsanwalts ist grundsätzlich von dem Mittelbetrag der einschlägigen Rahmengebühr auszugehen. Dies muss auch für ein Bußgeldverfahren gelten, denn Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeit sind die üblichen Bußgeldverfahren. Es kann von vornherein nicht abgeschätzt werden, ob hier eine deutlich unterdurchschnittliche Angelegenheit vorliegt.
AG Stuttgart, Urt. v. 31.10.2007 – 14 C 5483/07
1. In Bußgeldangelegenheiten kann auch der im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde beauftragte Rechtsanwalt bereits (auch) einen Vorschuss für das gerichtliche Verfahren verlangen.
2. Bei der Anforderung eines Gebührenvorschusses durch den beauftragten Rechtsanwalt ist auch in einer Verkehrsordnungswidrigkeitensache der Ansatz einer Mittelgebühr grundsätzlich angemessen.
AG Chemnitz, Beschl. v. 1.4.2005 – 21 C 750/2005
Angemessener Vorschuss in Bußgeldsachen
Bei Mitwirkung an einem durchschnittlichen Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung und Verhängung einer Geldbuße von 200 EUR ist die Bemessung einer Mittelgebühr für Nr. 5103 VV nicht zu beanstanden.
AG Darmstadt, Urt. v. 27.2.2005 – 305 C 421/04
Es besteht auch kein Anlass, den Vorschuss unter die Mittelgebühren herabzusetzen. Der Anwalt muss den Vorschuss später ohnehin abrechnen. Wenn sich dann herausstellt, dass die Sache unterdurchschnittlich war, muss er den nicht verbrauchten Vorschuss zurückzahlen.
Nach der Rechtsprechung kann sogar die Zusätzliche Gebühr vorschussweise angefordert werden, weil erfahrungsgemäß Bußgeldsachen häufig eingestellt werden.
Angemessener Vorschuss in Bußgeldsachen
Bei der Abrechnung eines Vorschusses nach § 9 RVG kann der Rechtsanwalt die "Hauptverhandlungsvermeidungsgebühr" nach Nr. 5115 VV mit einbeziehen.
AG Darmstadt, Urt. v. 27.2.2005 – 305 C 421/04
Zu beachten in diesem Zusammenhang ist, dass das Bestimmungsrecht für die Anforderung eines Vorschusses beim Anwalt liegt. Das hat die Rechtsprechung auch in anderen Fällen von Rahmengebühren bestätigt.
Angemessener Vorschuss in Sozialsachen
1. Der Rechtsschutzversicherer hat den Versicherungsnehmer auch von Vorschussforderungen seines Anwalts freizustellen.
2. Im Rahmen der Vorschussanforderung ist es grundsätzlich nicht unangemessen, die Mittelgebühren als Vorschuss anzufordern.
3. Ein Rechtsschutzversicherer ist nicht berechtigt, die vorschussweise geltend gemachten Gebühren eigenmächtig zu kürzen.
AG Saarlouis, Urt. v. 4.2.2014 – 28 C 1698/13
Norbert Schneider
AGS 7/2019, S. 318 - 320