SGG § 88, 101, 193, 197; RVG VV Nr. 3106
Leitsatz
Im Fall der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG stellt der Erlass des vom Kläger begehrten Verwaltungsakts durch den Beklagten kein (konkludentes) Anerkenntnis dar.
SG Marburg, Beschl. v. 8.2.2019 – S 10 SF 74/17 E
1 Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Höhe der von dem Erinnerungsgegner an den Erinnerungsführer zu erstattenden außergerichtlichen Kosten für ein Klageverfahren vor dem SG. Im Streit steht die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung im Hinblick auf die Entstehung einer (fiktiven) Terminsgebühr.
In dem genannten Ausgangsverfahren erhob der Erinnerungsführer im Dezember 2016 Untätigkeitsklage gegen den Erinnerungsgegner, weil dieser seinerzeit noch nicht über einen Widerspruch des Erinnerungsführers v. 27.7.2016 gegen einen Bescheid des Erinnerungsgegners v. 27.6.2016 entschieden hatte. Mit Schriftsatz v. 13.1.2017 übersandte der damalige Beklagte dem Gericht seine Verwaltungsvorgänge und wies darauf hin, dass zwischenzeitlich ein Abhilfebescheid ergangen sei. Im Hinblick auf diesen Bescheid v. 12.1.2017 erklärte der damalige Kläger das Verfahren für erledigt und stellte Kostenantrag. Dem trat der damalige Beklagte entgegen. Das SG verpflichtete daraufhin die Beklagte des Ausgangsverfahrens, dem damaligen Kläger 50 % seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Am nächsten Tag bezifferte der Kläger des Ausgangsverfahrens seine erstattungsfähigen Kosten für das Klageverfahren. Dabei machte er folgende Positionen geltend:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
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150,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
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140,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
310,00 EUR |
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19 % USt., Nr. 7008 VV |
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58,90 EUR |
Endsumme: |
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368,90 EUR |
davon 50 % |
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184,45 EUR |
Daraufhin beantragte der damalige Beklagte die Kostenfestsetzung für das Ausgangsverfahren. Die von ihm geforderte Terminsgebühr sei nicht entstanden. Der Erlass des mit einer Untätigkeitsklage begehrten Bescheids stehe einem Anerkenntnis nicht gleich.
Mit ihrem Kostenfestsetzungsbeschluss wich die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle von der Kostenforderung des Erinnerungsführers ab und setzte – der Ansicht des Erinnerungsgegners folgend – insgesamt einen von dem damaligen Beklagten an den damaligen Kläger zu erstattenden Betrag i.H.v. 101,15 EUR fest. Die geltend gemachte Terminsgebühr gem. Nr. 3106 VV sei nicht entstanden. Dies lasse sich schon der Kostengrundentscheidung entnehmen. Danach sei der verzögerte Erlass des Widerspruchsbescheids nicht allein dem Beklagten zuzurechnen. Dieser Umstand erkläre auch die vorgenommene Kostenquotelung.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Kläger Erinnerung eingelegt, der die Urkundsbeamtin nicht abgeholfen hat.
2 Aus den Gründen
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des SG ist gem. § 197 Abs. 2 SGG statthaft und auch i.Ü. zulässig, insbesondere fristgerecht eingegangen.
Die Erinnerung ist aber nicht begründet. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist bei ihrer Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass für die anwaltliche Vertretung keine Terminsgebühr entstanden ist.
Die zwischen den Beteiligten im vorliegenden Fall allein streitige Terminsgebühr setzt nach der Vorbem. 3 VV grds. die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen oder außergerichtlichen Terminen voraus. Daran fehlt es hier. Gem. Nr. 3106 VV entsteht sie jedoch auch, wenn
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in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird, |
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nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann oder |
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das Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. |
Für das Klageverfahren kommt insofern ausschließlich die Nr. 3 in Betracht, auf die sich der Erinnerungsführer auch stützt. Deren Voraussetzungen sind indes nicht erfüllt, weil das Ausgangsverfahren nicht nach angenommenem Anerkenntnis geendet hat. Gem. § 101 Abs. 2 SGG erledigt das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache. Dies setzt eine dementsprechende Prozesserklärung des Beklagten voraus. Dieser muss schriftlich gegenüber dem Gericht erklären, dass der streitgegenständliche prozessuale Anspruch des Klägers besteht (s. zum Ganzen B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., 2017, § 101 Rn 20 f.). Eine solche Prozesshandlung lässt sich der Gerichtsakte des Ausgangsverfahrens nicht entnehmen. In dem Klageverfahren hat sich der Beklagte zur Hauptsache in keiner Weise eingelassen. Er hat dem Gericht lediglich seine Verwaltungsvorgänge übersandt und darauf hingewiesen, dass zwischenzeitlich ein Abhilfebescheid ergangen sei.
Im Fall der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG stellt der Erlass des vom Kläger begehrten Verwaltungsakts durch den Beklagten kein (konkludentes) Anerkenntn...