Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Terminsgebühr bei einer Untätigkeitsklage, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet
Orientierungssatz
1. Die Terminsgebühr entsteht nach 3106 S 2 Nr 3 RVG-VV auch dann, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Im Fall einer Untätigkeitsklage liegt ein Anerkenntnis im Rechtssinn nur dann vor, wenn die Frist des § 88 Abs 1 bzw Abs 2 SGG abgelaufen ist und die Beklagte zusätzlich zum Erlass des Bescheids uneingeschränkt zugesteht, dass sie keinen zureichenden Grund für die verspätete Entscheidung hatte.
2. Eine solche fiktive Terminsgebühr darf auch dann angesetzt werden, wenn sie vom Prozessbevollmächtigten nicht ausdrücklich geltend gemacht wird. Nach § 103 SGG ist es geboten, den geltend gemachten Kostenanspruch unter allen in Betracht kommenden Gebührentatbeständen zu prüfen.
3. Bei der Höhe der fiktiven Terminsgebühr ist zu berücksichtigen, dass dem Anwalt kein gebührenmäßiger Nachteil daraus erwachsen soll, dass er aus prozessökonomischen Gründen auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Deshalb hat sich die Höhe der fiktiven Terminsgebühr bei einer Untätigkeitsklage an den gleichen Kriterien zu orientieren wie die Verfahrensgebühr.
Tenor
Die Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.08.2007 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Erinnerung der Beklagten, über die gemäß § 197 Abs. 2 SGG das Gericht durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 SGG damit ohne ehrenamtliche Richter zu entscheiden hat, ist unbegründet. Die allein streitige fiktive Terminsgebühr für die Untätigklage gemäß Ziffer 3106 Satz 2 Nr. 3 VV zum RVG, die der Urkundsbeamte mit 100,00 Euro veranschlagt hat, ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zutreffend festgestellt worden.
1. a) Gemäß VV 3106 Satz 2 Nr. 3 entsteht die Terminsgebühr auch, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Ein solche Fall lag hier vor.
Allerdings handelt es sich bei einer Untätigkeitsklage nicht stets um ein Anerkenntnis im Sinne von § 101 Abs. 2 SGG und VV 3106 Satz 2 Nr. 3, wenn die Beklagte den Antrag bzw. den Widerspruch des Klägers durch Erlass eines - wie auch immer gearteten - Bescheides bzw. Widerspruchsbescheides bescheidet, auch wenn die Untätigkeitsklage gemäß § 88 SGG auf bloße Bescheidung gerichtet ist. Da eine Untätigkeitsklage nur dann begründet ist, wenn die Beklagte ohne zureichenden Grund über den Antrag bzw. den Widerspruch nicht innerhalb einer Frist von 6 bzw. 3 Monaten entschieden hat, und auch nur dann eine Verurteilung der Beklagten zu der beantragten Bescheidung erfolgen kann (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 88 Rn. 9), liegt ein Anerkenntnis im Rechtssinne vielmehr nur vor, wenn die Frist des § 88 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGG abgelaufen ist und die Beklagte zusätzlich zum Erlass des Bescheids bzw. des Widerspruchsbescheids uneingeschränkt zugesteht, dass sie keinen zureichenden Grund für die verspätete Entscheidung hatte. Dies kann sich nicht nur aufgrund einer ausdrücklichen Erklärung der Beklagten, sondern auch aus den gesamten Umständen der Bescheiderteilung ergeben. So liegt es nahe, dass die Beklagte eingesteht, dass sie ohne zureichenden Grund binnen angemessener Frist nicht entschieden hat, wenn sie nichts zum Vorliegen eines zureichenden Grundes vorträgt, da sie grundsätzlich zureichende Gründe darzulegen hat (vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 7a). Gleiches gilt, wenn die Beklagte ohne Einschränkungen oder Erläuterungen ein Kostenanerkenntnis dem Grunde nach abgibt, da sie damit eingesteht, dass die Untätigkeitsklage begründet war und sie Anlass zur Klage gegeben hat. Ansonsten müsste sie nämlich die außergerichtlichen Kosten des Klägers nicht übernehmen.
Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte durch Erlass des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2006 ein Anerkenntnis abgegeben. Hierfür spricht bereits die Erklärung in der Klageerwiderung vom 05.12.2006, in der es heißt, die Beklagte habe (durch Erlass des Widerspruchsbescheids) dem Begehren des Klägers entsprochen. Zudem hat die Beklagte nicht geltend gemacht, es habe für die verspätete Entscheidung einen zureichenden Grund gegeben, und sich folgerichtig auch bereit erklärt, die notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach zu übernehmen. Nach den Umständen ist damit der Erlass des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2006 als uneingeschränktes Zugeständnis, dass der nach § 88 Abs. 2 SGG geltend gemachte Klageanspruch bestand, zu werten. Die Erledigungserklärung des Klägers im Schriftsatz vom 18.12.2006 stellt die Annahme dieses Anerkenntnisses dar mit der Folge, dass der Rechtsstreit nach § 101 Abs. 2 SGG beendet wurde.
b) Die fiktive Terminsgebühr durfte auch angesetzt werden, obwohl sie der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht ausdrücklich geltend gemacht, sondern vie...