1. Ich mag nicht mehr. Eine weitere falsche OLG-Entscheidung, die zu den vielen anderen falschen OLG-Entscheidungen passt, die die Frage ebenso negativ für den Angeklagten/Verteidiger entschieden haben (vgl. die Zusammenstellung bei Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, 6. Aufl., 2021, Nr. 4124 VV Rn 28 ff. und Nr. 4130 VV Rn 29 ff.). Und eine weitere Entscheidung, die keine eigenen Argumente vorbringt, sondern lediglich das nachvollzieht, was andere OLG bereits vorgebetet haben. Die Argumente, die auch von den Bezirksrevisoren immer wieder vorgetragen werden, werden nicht dadurch richtig, dass man sie immer wiederholt. Das zeigt nur, dass man als OLG nicht bereit ist, sich mit den anstehenden Fragen ernsthaft auseinander zu setzen.
2. Daher noch einmal – und wahrscheinlich leider nicht das letzte Mal: Zutreffend ist es, wenn das OLG offenbar vom Entstehen der Verfahrensgebühr Nr. 4130 VV ausgeht, obwohl das nach der in Bezug genommenen pflaumenweichen Formulierung des Vertreters der Staatskasse nicht ganz sicher ist. Aber ich will davon zugunsten des OLG mal ausgehen. Warum dann aber diese Verfahrensgebühr nicht erstattungsfähig sein soll, erschließt sich nicht. Es ist m.E. einfach falsch, wenn das OLG das Interesse des Angeklagten "auf ein subjektives Beratungsbedürfnis" reduziert, eine objektive Beratung ihm aber in dem frühen Stadium "weder erforderlich noch sinnvoll" erscheint. Zunächst: Wo steht eigentlich in § 137 StPO, dass der Beschuldigte nur einen Anspruch auf "objektive Beratung" hat? Verteidigung hat sich immer auch am Beratungsbedürfnis des Beschuldigten auszurichten. Das eine lässt sich nicht vom anderen trennen. Und es obliegt m.E. schon gar nicht einem OLG, darüber zu entscheiden, wie der Verteidiger seine Arbeit macht bzw. zu machen hat. Das kann, darf und muss er selbst entscheiden. Und natürlich hat der Mandant auch ein objektives Interesse daran zu erfahren, wie es nach der Einlegung der Revision mit dem Verfahren und der Verteidigung weitergeht. Und ein erfahrener Verteidiger wird wissen, was die Staatsanwaltschaft ggf. mit ihrer Revision geltend machen bzw. erreichen will. Denkt man die Auffassung des OLG konsequent zu Ende, wäre das Ergebnis, dass der Verteidiger nach Bekanntwerden der Revision der Staatsanwaltschaft nichts tut – sprichwörtlich die Hände in den Schoß legt – und wartet, ob und was dann denn nun noch – wenn überhaupt – an Begründung von der Staatsanwaltschaft kommt. Das ist einfach falsch und es geht an der Praxis vorbei, wenn man den Verteidiger auf das Verfahren nach § 347 Abs. 1 S. 2 StPO verweist und erwartet, dass er ohne Information des Mandanten und ggf. Vorbereitung einer Erwiderung innerhalb einer Woche auf eine mögliche umfangreiche Revisionsbegründung antwortet. Das ist nichts anderes als Verkürzung der Rechte des Beschuldigten.
3. Man fragt sich immer wieder, warum entscheiden weitgehend fast alle OLG so negativ wie das OLG Hamm und propagieren damit eine (Pflicht-)Verteidigung zum Nulltarif, die es nicht gibt, was der Gesetzgeber gerade erst mit der Stärkung/Erweiterung des Rechts auf einen Pflichtverteidiger durch das "Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung" v. 10.12.2019 (BGBl I, 2128) deutlich gemacht hat. Eine mögliche Erklärung ist, dass man damit die vielfache Praxis der Staatsanwaltschaften, zunächst einmal Revision einzulegen, diese dann aber – aus welchen Gründen auch immer – vor Begründung wieder zurückzunehmen, absegnet bzw. für die Staatsanwaltschaft kostenrechtlich ungefährlich macht. Denn: Zu erstattende Kosten sind ja nicht entstanden, da der Beschuldigte ja keinen Anspruch darauf hat, über ein ggf. auch unsinniges Rechtsmittel informiert/beraten zu werden. Also ein rein fiskalisches Interesse der OLG, Staatsanwaltschaften und Vertretern der Landeskassen, dass die durch das o.a. Gesetz verfolgten Ziele der Stärkung der Rechte des Beschuldigten konterkariert.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 7/2021, S. 313 - 315