§ 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG; § 91 ZPO; §§ 5, 19 JVEG

Leitsatz

  1. Soweit eine Partei eigene Reisekosten vermeidet, indem sie einen Rechtsanwalt zu Gerichtsterminen entsendet, sind die dadurch anfallenden Anwaltsgebühren- und auslagen i.H.d. fiktiven Reisekosten von der unterliegenden Partei zu tragen, die angefallen und gem. § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO i.V.m. §§ 19, 5 JVEG erstattungsfähig gewesen wären, wenn die obsiegende Partei selbst zu den Gerichtsterminen erschienen wäre. Bis zur Höhe dieser fiktiven Reisekosten sind auch die nach dem RVG anfallenden Anwaltsgebühren zu erstatten.
  2. Aus § 5 Abs. 1 JVEG folgt, dass die obsiegende Partei im Rahmen der fiktiven Reisekosten die Kosten in Ansatz bringen kann, die für Bahnfahrten erster Klasse zu den Gerichtsterminen angefallen wären, wenn die Partei diese selbst wahrgenommen hätte. Es besteht weder eine Verpflichtung ein kostengünstigeres Beförderungsmittel in Ansatz zu bringen, noch ein eventuelles Sparangebot der Bahn zu berücksichtigen. Daher können die Bahnkosten erster Klasse im sog. "Flexpreis"-Tarif der Bahn in Ansatz gebracht werden.

LAG Nürnberg, Beschl. v. 8.3.2021 – 4 Ta 125/20

I. Sachverhalt

Das ArbG Nürnberg hatte die Klage auf Kosten des Klägers abgewiesen und den Streitwert auf 42.840,00 EUR festgesetzt. Im Berufungsverfahren vor dem LAG Nürnberg haben die Parteien einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, wonach es bei der Kostenentscheidung erster Instanz verbleibt. Der Beklagte, der seinen Sitz in Berlin hat, war in den Gerichtsverhandlungen vor dem ArbG Nürnberg am 6.3.2018 und am 18.9.2019 nicht selbst anwesend. Vielmehr wurde er von seinem in Hamburg ansässigen Prozessbevollmächtigten vertreten.

In seinem Kostenfestsetzungsantrag hat der Beklagte geltend gemacht, die vom Kläger zu erstattenden Kosten erster Instanz in Höhe fiktiver Terminsreisekosten i.H.v. 894,00 EUR festzusetzen. Hierzu hat der Beklagte vorgebracht, diese Kosten wären ihm für die An- und Abreise zu den beiden Gerichtsterminen mit der Bahn entstanden, wenn er selbst an den Verhandlungsterminen vor dem ArbG Nürnberg teilgenommen hätte. In diesem Fall hätte er gem. § 5 Abs. 1 JVEG zu den Gerichtsterminen Bahnfahrten 1. Klasse von Berlin nach Nürnberg unternehmen dürfen. Hierfür wären für beide Termine insgesamt 844,00 EUR brutto / 710,00 EUR netto angefallen. Die Auslagen für die erforderlichen Taxikosten zum Hauptbahnhof Berlin und vom Hauptbahnhof Nürnberg zum ArbG hätten bei einer Anreise des Beklagten etwa 90,00 EUR netto betragen. Hinzu käme für beide Tage gem. § 6 JVEG, §§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5, 9 Abs. 4a S. 3 EStG ein Abwesenheitsgeld i.H.v. jeweils 12,00 EUR pro Tag. Die tatsächlich entstandenen Terminsreisekosten seines Prozessbevollmächtigten würden 910,53 EUR betragen. Diese setzten sich zusammen aus den Auslagen für die Benutzung des Flugzeuges i.H.v. 327,91 EUR am 6.3.2018 und i.H.v. 380,19 EUR am 18.9.2019 sowie für die Bahnbenutzung i.H.v. 5,79 EUR bzw. 93,11 EUR zusammen. Als Tage- und Abwesenheitsgeld währen jeweils 40,00 EUR und als Parkgebühren am 6.3.2018 23,53 EUR angefallen. I.Ü. hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass allein die seinem Prozessbevollmächtigten entstandenen Gebühren und Auslagen (Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV, Terminsgebühr Nr. 3104 VV, Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV) bei dem festgesetzten Streitwert von 42.840,00 EUR einen Betrag von 2.740,00 EUR ausmachen würden.

Der hierzu gehörte Kläger hat beanstandet, der Beklagte hätte unter Kostenminderungsgesichtspunkten einen Prozessbevollmächtigten mit Kanzlei in Berlin beauftragen müssen. Außerdem habe der Beklagte bei den tatsächlich angefallenen Auslagen seines Prozessbevollmächtigten Flugreisekosten angesetzt, obwohl § 5 JVEG nur eine Wahlmöglichkeit zwischen einem Kraftfahrzeug und der Bahn vorsehe.

Der Rechtspfleger des ArbG hat dem Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten i.H.v. 474,00 EUR entsprochen. Dabei hat er für jeden Terminstag fiktive Fahrtkosten für die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges nach § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JVEG i.H.v. 225,00 EUR sowie ein Abwesenheitsgeld für jeden Terminstag i.H.v. 12,00 EUR berücksichtigt.

Gegen die Absetzung des Mehrbetrags hat der Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt, die vor dem LAG Nürnberg überwiegend Erfolg gehabt hat.

II. Kostenerstattung in erstinstanzlichen Arbeitsgerichtsverfahren

1. Gesetzliche Regelung

Gem. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG ist im erstinstanzlichen Urteilsverfahren die Kostenerstattung ausgeschlossen wegen

der Entschädigung der Partei wegen Zeitversäumnis sowie
der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes.

Diese Vorschrift weicht für das erstinstanzliche Urteilsverfahren von der über § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG geltenden Grundregel des § 91 Abs. 1 ZPO ab, nach der notwendige Kosten der Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung erstattungsfähig sind, zu denen gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO die Kosten eines Rechtsanwalts gehören.

Der Ausschluss der Kostenerstattung für Anwaltskosten ist mit dem Grundgesetz vereinbar (BVerfG NJW 1971, 2302; LAG Stuttgart AnwBl. 1986, 106). § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG soll den arbeitsgeri...

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