I. Fragen
1. Fall 1
Der in Berlin wohnhafte Kläger hat seinen in Berlin kanzleiansässigen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt K am 3.1.2021 beauftragt, vor dem ArbG Hamburg Kündigungsschutzklage zu erheben (Streitwert: 9.000,00 EUR). Rechtsanwalt K erhebt auftragsgemäß diese Klage und nimmt den Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem ArbG Hamburg wahr. Zu diesem Termin reist Rechtsanwalt K mit der Deutschen Bahn in der 1. Wagenklasse und mit dem öffentlichen Personennahverkehr an und fährt am selben Tage wieder zurück. Die Klage hat Erfolg. Das ArbG Hamburg erlegt dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auf.
Welche Kosten sind dem Kläger angefallen? Welche Kosten kann der Kläger von dem Beklagten erstattet erhalten?
2. Fall 2
Der Beklagte ist vor dem LG München I auf Zahlung einer Kaufpreisforderung i.H.v. 20.000,00 EUR in Anspruch genommen worden. Er beauftragt Rechtsanwalt B am 1.6.2020 mit der Vertretung in diesem Rechtsstreit. Rechtsanwalt B reicht eine Klageerwiderung ein und kündigt an, im Termin einen Klageabweisungsantrag zu stellen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.12.2020 verhandeln die Prozessbevollmächtigten beider Parteien streitig. Das LG München I setzt einen Verkündungstermin auf den 5.1.2021 an, in dem es in Abwesenheit der Prozessbeteiligten ein Urteil verkündet, durch das die Klage auf Kosten des Klägers abgewiesen wird.
Welche Kosten kann der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Beklagte von dem Kläger erstattet verlangen?
II. Lösungen
1. Lösung zu Fall 1
I. Angefallene Anwaltskosten
Dem Kläger sind zunächst für die Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts K außergerichtliche Kosten angefallen, die sich gem. § 60 Abs. 1 S. 1 RVG unter Zugrundelegung des ab 1.1.2021 geltenden Vergütungsrechts wie folgt berechnen:
1. Verfahrensgebühr
Für das Betreiben des Geschäfts (s. Vorbem. 3 Abs. 2 VV) ist dem Rechtsanwalt K eine Verfahrensgebühr mit einem Gebührensatz von 1,3 angefallen, weil er die Klageschrift eingereicht und den Verhandlungstermin wahrgenommen hat (s. Nr. 3101 Nr. 1 VV).
2. Terminsgebühr
Für die Wahrnehmung des Verhandlungstermins kann Rechtsanwalt K nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV die 1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV berechnen.
3. Postentgeltpauschale
Der Anfall dieser Pauschale ergibt sich aus Nr. 7002 VV.
4. Geschäftsreise-Auslagen
Für die Benutzung der Bahn in der 1. Wagenklasse von Berlin nach Hamburg und zurück nach dem Flex-Preis-Tarif betragen die Auslagen brutto 255,80 EUR. Dieser Betrag enthält 7 % Umsatzsteuer, sodass sich ein Nettobetrag von 239,70 EUR ergibt. Rechtsanwalt K war bei der Durchführung der Terminsreise nicht auf Sparangebote der Deutschen Bahn verwiesen.
Nach Nr. 7004 VV kann Rechtsanwalt K die Auslagen für das Tagesticket der BVG i.H.v. 8,60 EUR brutto = 8,03 EUR netto berechnen. Für das Tagesticket der HVV sind ihm Auslagen i.H.v. 5,50 EUR brutto = 5,14 EUR netto angefallen.
Ferner steht dem Rechtsanwalt für die mehr als 8-stündige Abwesenheit von seiner Kanzlei ein Tagegeld nach Nr. 7005 Nr. 3 VV i.H.v. 80,00 EUR zu.
Die Berechnung der Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV mit einem Satz von 19 % ist hier unproblematisch. Für die Höhe des Umsatzsteuersatzes ist auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Anwaltsvergütung abzustellen, der hier nach dem 31.12.2020 liegt und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem die zeitweilige Reduzierung des Umsatzsteuersatzes auf 16 % nicht mehr gegolten hat (s. ausführlich hierzu den Fall 2).
5. Zusammenstellung
Somit sind Rechtsanwalt K folgende Gebühren und Auslagen angefallen.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
725,40 EUR |
|
(Wert: 9.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
669,60 EUR |
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(Wert: 9.000,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
4. |
Geschäftsreise-Auslagen |
|
a) |
Bahnfahrt 1. Klasse Berlin-Hamburg-Berlin, Nr. 7004 VV |
239,70 EUR |
b) |
Tagesticket BVG, Nr. 7004 VV |
8,03 EUR |
c) |
Tagesticket HVV, Nr. 7004 VV |
5,14 EUR |
d) |
Tagegeld, Nr. 7005 Nr. 3 VV |
80,00 EUR |
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
332,09 EUR |
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Gesamt |
2.079,97 EUR |
II. Kostenerstattung
1. Grundsatz
In arbeitsgerichtlichen Verfahren 1. Instanz sind gem. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG die Kosten für die Beiziehung eines Prozessbevollmächtigten grds. nicht erstattungsfähig. Die Bestellung des Prozessbevollmächtigten hat jedoch eigene, notwendige Terminsreisekosten des Klägers erspart. Deshalb sind die als solche nicht erstattungsfähigen Anwaltskosten bis zur Höhe der ersparten Terminsreisekosten des Klägers selbst erstattungsfähig. Folglich sind die Anwaltskosten des Klägers in Höhe derjenigen Terminsreisekosten erstattungsfähig, die dem Kläger selbst für die Wahrnehmung des Verhandlungstermins nach Maßgabe der § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO i.V.m. §§ 19, 5 JVEG zu erstatten gewesen wären.
2. Ersparte Parteireisekosten
Auch der Kläger hätte die Fahrt zum ArbG Hamburg mit der Bahn in der 1. Wagenklasse unternehmen können, ohne dabei auf Spar-Tarife angewiesen zu sein. Ebenso hätte er bei einer eigenen Terminsreise die Aufwendungen für die Tagestickets der BVG und der HVV i.H.d. jeweiligen Bruttopreise erstattet verlangen können sowie ein Abwesenheitsgeld i.H.v. 12,00 EUR.
Die er...