1. Soweit ersichtlich handelt es sich bei dieser Entscheidung um die erste Äußerung eines Gerichts zu der durch das KostRÄG 2021 eingeführten Vorbem. 4.1 Abs. 3 VV. Bis zu dessen Inkrafttreten war die Frage, wie mit Wartezeiten und/oder Pausen bei der Ermittlung der für einen Längenzuschlag des Pflichtverteidigers maßgeblichen Hauptverhandlungszeit umzugehen, höchst umstritten (vgl. zum alten Recht Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldverfahren, 6. Aufl., 2021, Nr. 4110 VV Rn 15 ff. m.w.N.; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 25. Aufl., 2021, VV 4110 Rn 25 ff. m.w.N.). Diesen Streit hat der Gesetzgeber durch die neue Vorbem. 4.1 Abs. 3 VV erledigen wollen (vgl. dazu Burhoff, AGS 2021, 49 ff.; Ders., RVGreport 2020, 402, 406 f.; Ders., StraFo 2021, 5, 13 f.; Ders. StRR 1/2021, 5, 9 f.; Volpert, AGS 2020, 445, 454 f.). Und das ist m.E. auch (weitgehend) gelungen, was sich u.a. auch daran zeigt, dass die Entscheidung des LG Mannheim die erste ist, die sich nach mehr als 16 Monaten nach Inkrafttreten der Neuregelung mit der Vorbem. 4.1 Abs. 3 VV auseinander setzen muss.
2. Und m.E. ist die Entscheidung zutreffend. Denn sie entspricht der (neuen) vereinfachten Systematik der Vorbem. 4.1 Abs. 3 VV (dazu auch Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4.1 Rn 48 ff.).
a) Danach werden Wartezeiten und Unterbrechungen während eines Verhandlungstags als Teilnahme an der Hauptverhandlung berücksichtigt. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Pflichtverteidiger die Wartezeit oder die Unterbrechung zu vertreten hat oder die Unterbrechung länger als eine Stunde dauert.
b) Hinsichtlich der Unterbrechungen/Pausen am Hauptverhandlungstag sind Unterbrechungen und Pausen bis zu einer Stunde immer als Hauptverhandlungszeit zu berücksichtigen. Auf den Grund der Unterbrechung, also z.B. für eine Mittagspause, kommt es nicht (mehr) an (vgl. BT-Drucks 19/23484, 85). Längere Pausen werden nicht berücksichtigt, wenn der Rechtsanwalt bei der Anordnung der Unterbrechung deren Zeitraum kennt. Dabei ist es ebenfalls unerheblich, aus welchem Grund die Pause gemacht wird, ob als Mittagspause oder aus einem sonstigen Grund.
Das bedeutet hier, dass die angeordneten Pausen von mehr als Stunde bei der Berechnung der Hauptverhandlungszeit nicht zu berücksichtigen waren und zutreffend nicht berücksichtigt worden sind. Soweit die Pausen am 5.11. und am 30.11.2021 länger gedauert haben, als sie angeordnet worden waren, ist das auf jeden Fall ohne Belang für die zu berücksichtigende Hauptverhandlungsdauer, Der Beschluss teilt nicht mit, worauf hier der verzögerte Beginn am 5.11. und am 30.11.2021 zurückzuführen ist, obwohl der Leitsatz 2) dafür sprechen könnte, dass der Verteidiger die Verzögerung zu vertreten hat. Ist das Fall, ist also die längere Dauer auf vom Pflichtverteidiger zu vertretende Umstände zurückzuführen, greift Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV. Anderenfalls wären die Verzögerungszeiten zwar zu berücksichtigen (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4.1 VV Rn 64 m. Hinw. auf BT-Drucks 19723484, 84 f.), was aber hier nichts an der Entscheidung geändert hätte. Denn selbst wenn die Verzögerungen auch als Hauptverhandlungsdauer anzusehen (gewesen) wären, würde das aber immer noch nicht gereicht haben, um die "5-Stunden-Marke" zu überschreiten.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 7/2022, S. 312 - 313