Das VerfG weist daraufhin, dass die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den Einzelfall Sache der Fachgerichte und der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof grds. entzogen seien. Ein Richterspruch verstoße nicht schon dann gegen das Verbot objektiver Willkür, wenn die angegriffene Rechtsanwendung oder das Verfahren fehlerhaft seien. Hinzukommen müsse, dass Rechtsanwendung oder Verfahren unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar seien und sich daher der Schluss aufdränge, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruhe. Dies sei etwa der Fall, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird (BVerfG NJW 2016, 861 = StRR 2015, 474 = RVGreport 2016, 156; NJ 2015, 175). Dieser materiell-verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab verlange mit Rücksicht auf die Bindung des Richters an Recht und Gesetz eine Begründung auch letztinstanzlicher Entscheidungen jedenfalls dann und insoweit, als von dem eindeutigen Wortlaut einer Rechtsnorm abgewichen werde und der Grund hierfür sich nicht schon eindeutig aus den den Beteiligten bekannten und für sie ohne Weiteres erkennbaren Besonderheiten des Falles ergebe (BVerfG, BVerfG NJW 2016, 861 = StRR 2015, 474 = RVGreport 2016, 156).
Auf der Grundlage dieses Maßstabes verletzt nach Auffassung der VerfG der Beschl. des AG v. 11.3.2020 hinsichtlich der angegriffenen Auslagenentscheidung das Grundrecht des Betroffenen auf eine willkürfreie Entscheidung gem. Art. 10 Abs. 1 VvB. Der Beschluss enthalte – ungeachtet der vom Betroffenen rechtlich und tatsächlich in Abrede gestellten Verdachtslage einer Ordnungswidrigkeit – keinen Hinweis auf die Rechtsgrundlage der Auslagenentscheidung und auch keinerlei Erwägungen zu den maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkten für eine vom Grundsatz des § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 OWiG abweichende Kostentragung gem. § 467 Abs. 4 StPO. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass das AG sich insoweit von sachfremden Erwägungen habe leiten lassen. Anders als in Fällen, in denen eine Begründung vorhanden sei und auf ihre Vertretbarkeit geprüft werden könne, könne Willkür im Falle des Fehlens einer Begründung schon dann vorliegen, wenn eine andere Entscheidung – hier gerichtet auf die Erstattung notwendiger Auslagen als dem gesetzlichen Regelfall – nahegelegen hätte und eine nachvollziehbare Begründung für das Abweichen hiervon fehlt (vgl. BVerfG, a.a.O.).
Werde das gerichtliche Verfahren gegen einen Betroffenen nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt, würden nämlich grds. seine notwendigen Auslagen nach § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG der Staatskasse zur Last fallen. Ausnahmen hiervon seien in § 467 Abs. 2 S. 2 StPO, § 467 Abs. 3 StPO oder nach § 109a Abs. 2 OWiG geregelt für den Fall, dass der Betroffene Auslagen durch schuldhafte Säumnis, eine unwahre Selbstanzeige oder eine wahrheitswidrige Selbstbelastung verursacht hat oder die Einstellung allein auf einem Verfahrenshindernis beruhte – was vorliegend jeweils erkennbar nicht gegeben gewesen sei. Zwar könne ein Gericht im Falle einer in seinem Ermessen liegenden Verfahrenseinstellung gem. § 467 Abs. 4 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen. Die Entscheidung des AG über die notwendigen Auslagen enthalte jedoch keinerlei Erwägungen, weshalb hier von dem gesetzlichen Regelfall des § 467 Abs. 1 StPO abgewichen worden sei. Es fehle schon der Hinweis, auf welcher Rechtsgrundlage die Auslagenentscheidung getroffen wurde. Auch das Anhörungsschreiben vom 26./27.2.2020 und der Rügebeschluss enthielten insoweit keinerlei Begründung. Damit sei ein Verstoß gegen das Willkürverbot festzustellen, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich das AG von sachfremden Erwägungen habe leiten lassen.