Die Begründung des OLG Brandenburg überzeugt mich nicht. Für die Erstattung von Umsatzsteuer auf die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Prozessbevollmächtigten der obsiegenden Partei muss unterschieden werden zwischen dem Anfall der Umsatzsteuer und deren Erstattungsfähigkeit. Diese Unterscheidung ist dem OLG Brandenburg in den Gründen seines Beschlusses nicht gelungen, spricht es doch im Zusammenhang mit Nr. 7008 VV mehrfach von der Erstattungsfähigkeit der Umsatzsteuer.

1. Anfall der Umsatzsteuer

a) Keine Beschränkung auf deutsche Umsatzsteuer

Nach Nr. 7008 VV gehört zu den gesetzlichen Auslagen des Rechtsanwalts die "Umsatzsteuer auf die Vergütung in voller Höhe". Dies gilt nach der Anm. zu Nr. 7008 VV nicht, wenn die Umsatzsteuer nach § 19 Abs. 1 UStG, der die Besteuerung von Kleinunternehmern betrifft, unerhoben bleibt. Diese Anmerkung stellt keine Einschränkung dahin dar, dass der Rechtsanwalt nur die deutsche Umsatzsteuer berechnen darf. Der Hinweis auf § 19 Abs. 1 UStG ist lediglich eine Spezialregelung des selbstverständlichen Grundsatzes, dass der Rechtsanwalt seinem Auftraggeber nicht erhobene Umsatzsteuer auch nicht in Rechnung stellen darf (s. Hansens, JurBüro 1983, 325, 334).

Somit ergibt sich aus der gesetzlichen Auslagenregelung für die Umsatzsteuer in Nr. 7008 VV mit keinem Wort, dass der Rechtsanwalt seinem Mandanten nur die für seine Leistung angefallene deutsche Umsatzsteuer in Rechnung stellen darf.

Es gibt eine Vielzahl von Fallgestaltungen, in denen die Leistung des Rechtsanwalts für seinen Mandanten nach deutschem Steuerrecht nicht der Umsatzsteuer unterliegt (s. ausführlich AnwK RVG/N. Schneider, 9. Aufl., 2021, Nr. 7008 VV Rn 6 ff.). Dies war hier auch im Fall des OLG Brandenburg so, weil der Rechtsanwalt der Beklagten für seine Mandantin, ein Liechtensteiner Unternehmen, Leistungen erbracht hat und damit gem. § 3a Abs. 2 S. 1 UStG Leistungsort der in Liechtenstein belegene Sitz dieser Mandantin ist. Dies wiederum hatte zur Folge, dass die Leistung des Beklagtenvertreters nicht der deutschen Umsatzsteuer unterliegt. Das war hier auch zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig und ist auch vom OLG Brandenburg so richtig gesehen worden.

Demzufolge hatte die Beklagte hier auch nicht die Festsetzung von 19 % Umsatzsteuer auf die gesetzlichen Gebühren und Auslagen ihres Prozessbevollmächtigten nach deutschem Recht verlangt, sondern nur die Festsetzung von 7,7 % "Bezugssteuer" nach dem Recht des Fürstentums Liechtenstein.

b) Ausländische Umsatzsteuer

Nach Auffassung des OLG Brandenburg kann in europarechtskonformer Auslegung der "nationalen Kostenerstattungsregelung" in Nr. 7008 VV auch die in einem Mitgliedstaat der EU nach dortigem Recht angefallene Umsatzsteuer erstattungsfähig sein, wovon auch die beiden vom OLG zitierten Entscheidungen des OLG München und des FG Köln, je a.a.O., ausgehen. Auch das OLG Stuttgart (AGS 2004, 318) hat die – höheren – Gebühren und Auslagen einschließlich 17,5 % Umsatzsteuer eines Londoner Verkehrsanwalts nur i.H.d. Gebühren und Auslagen für einen deutschen Verkehrsanwalt als erstattungsfähig angesehen. Damit hat das OLG Stuttgart somit auch die nach dem englischen Recht angefallene Umsatzsteuer jedenfalls dem Grunde nach als erstattungsfähig angesehen. Diese Entscheidung ist durch den BGH (AGS 2005, 268 m. Anm. Madert = RVGreport 2005, 195 [Hansens]) bestätigt worden. Demgegenüber hatte das OLG Celle (OLGR Celle 2008, 543) die Kosten eines ausländischen Verkehrsanwalts nur i.H.d. Aufwendungen eines deutschen Verkehrsanwalts ohne Umsatzsteuer als erstattungsfähig angesehen.

In ihrem Beschl. v. 7.1.2009 (5 W (pat) 432/06) hat die Rechtspflegerin des BPatG entschieden, dass eine ausländische Partei, die Unternehmer ist und ihren Sitz im Ausland hat, neben den Gebühren und Auslagen ihres inländischen Rechtsanwalts nicht die Festsetzung von Umsatzsteuer verlangen kann. Eine Begründung für diese Auffassung hat sie nicht mitgeteilt. Diese Entscheidung ist durch das BPatG (BPatG 51, 81 = RVGreport 2010, 272 [Hansens]) bestätigt worden, wobei sich das BPatG nicht zur Umsatzsteuererstattung geäußert hat.

Das OLG Frankfurt (JurBüro 1983, 446 = Rpfleger 1983, 85) hat die in Spanien angefallene Umsatzsteuer deshalb nicht berücksichtigt, weil dessen Anfall nicht glaubhaft gemacht worden war. Das LG Berlin (JurBüro 1988, 1497) hat die Umsatzsteuer für eine Schweizer Aktiengesellschaft, die sich in der Bundesrepublik Deutschland durch einen deutschen Rechtsanwalt hat vertreten lassen, nur deshalb nicht berücksichtig, weil die erstattungsberechtigte Aktiengesellschaft nicht dargelegt hatte, dass die Leistung ihres Prozessbevollmächtigten dem Schweizer Umsatzsteuerrecht unterliegt, noch bejahendenfalls in welcher Höhe die Schweizer Umsatzsteuer angefallen war.

Auch das OLG Jena, auf dessen Beschl. v. 11.7.2011 (9 W 303/11) sich das OLG Brandenburg hier bezogen hatte, hat nicht entschieden, dass ausländische Umsatzsteuer schlechthin nicht festgesetzt werden kann. In jenem Fall ...

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