§ 91 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 ZPO; Nr. 7008 VV RVG; § 3a Abs. 2 S. 1 UStG
Leitsatz
- Für die berufsspezifischen Leistungen, die ein Rechtsanwalt für einen Mandanten mit Auslandssitz (hier: Fürstentum Liechtenstein) erbringt, ist dieser Sitz als Leistungsort nach § 3a Abs. 2 S. 1 UStG anzusehen. Dies hat zur Folge, dass die anwaltliche Tätigkeit nicht der deutschen Umsatzsteuer unterliegt, der in Deutschland ansässige Rechtsanwalt seinem ausländischen Mandanten keine deutsche Umsatzsteuer in Rechnung stellen kann und der Mandant dementsprechend von dem in die Kosten verurteilten Prozessgegner auch keine Erstattung verlangen kann.
- Für den ausländischen Mandanten ist auch die im Ausland für die empfangene ausländische Dienstleistung seines deutschen Rechtsanwalts angefallene Umsatzsteuer (hier: Bezugssteuer des Fürstentums Liechtensteins) nicht erstattungsfähig.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.1.2024 – 6 W 123/23
I. Sachverhalt
Die Beklagte, eine Gesellschaft mit Sitz im Fürstentum Liechtenstein, hatte sich für den vor dem LG Potsdam und dem OLG Brandenburg geführten Rechtsstreit in beiden Instanzen durch einen deutschen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Aufgrund der zu ihren Gunsten in beiden Instanzen ergangenen Kostenentscheidungen hat die Beklagte die Festsetzung ihrer außergerichtlichen Kosten geltend gemacht. Diese Kosten enthielten die mit der deutschen Umsatzsteuer vergleichbare Liechtensteiner Bezugssteuer i.H.v. 7,7 % des Vergütungsbetrages. Ihrem Kostenfestsetzungsantrag beigefügt hatte die Beklagte eine Ablichtung einer schriftlichen "Bestätigung" der Steuerverwaltung des Fürstentums Liechtenstein, aus der sich der Anfall der geltend gemachten Bezugssteuer ergab. Ferner hat die Beklagte eine entsprechend der deutschen Vorsteuerabzugsberechtigung geltende Regelung unwidersprochen verneint.
Der Rechtspfleger des LG Potsdam hat die Umsatzsteuer auf die Vergütung für beide Instanzen unberücksichtigt gelassen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten hatte beim OLG Brandenburg keinen Erfolg.
II. Kein Anfall der deutschen Umsatzsteuer
Das OLG Brandenburg hat die Auffassung des Rechtspflegers des LG Potsdam geteilt, die von der Beklagten geltend gemachte Liechtensteinische Bezugssteuer für die nach deutschem Recht nicht umsatzsteuerpflichtige Dienstleistung ihrer in Deutschland ansässigen Prozessbevollmächtigten sei nicht nach Nr. 7008 VV festsetzungsfähig.
Das OLG hat darauf verwiesen, dass für die berufsspezifischen Leistungen, die ein Rechtsanwalt für einen Mandanten mit Auslandssitz erbringt, dieser Sitz als Leistungsort nach § 3a Abs. 2 S. 1 UStG zu sehen sei. Dies habe zur Folge, dass die anwaltliche Tätigkeit nicht der deutschen Umsatzsteuer unterliege. Demgemäß dürfe ein in Deutschland ansässiger Rechtsanwalt seinem ausländischen Mandanten keine deutsche Umsatzsteuer in Rechnung stellen. Hieraus folgt nach den weiteren Ausführungen des OLG Brandenburg, dass der ausländische Mandant von dem in die Kosten verurteilten Prozessgegner auch keine Erstattung der Umsatzsteuer verlangen könne.
III. Keine Erstattung der Liechtensteiner Bezugssteuer
Das OLG Brandenburg hat auch nicht die Auffassung der Beklagten geteilt, ihr sei in Liechtenstein für die empfangene ausländische Anwaltsdienstleistung die der deutschen Umsatzsteuer vergleichbare "Bezugssteuer" i.H.v. 7,7 % des Vergütungsbetrages zu erstatten. Dem hat das OLG Brandenburg entgegengehalten, nach Nr. 7008 VV sei "erstattungsfähig" die "Umsatzsteuer auf die Vergütung". Diese Regelung sei allerdings insofern nicht eindeutig, als sie nicht ausdrücklich von "deutscher" Umsatzsteuer spreche. Es könne auch nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass in deutschen Gesetzen nur auf deutsche Gesetze verwiesen werde.
1. Umsatzsteuer eines EU-Mitgliedsstaates
Insbesondere das Sekundärrecht der Europäischen Union könne in Deutschland unmittelbar anwendbares Recht sein. Das OLG Brandenburg hat darauf verwiesen, dass gerade die Umsatzsteuer eine innerhalb der Europäischen Union jedenfalls teilweise harmonisierte Steuer darstellt. Dies ergebe sich aus der Richtlinie 77/388/EWG des Rates v. 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer. Dies könne – so fährt das OLG Brandenburg fort – Grundlage dafür sein, dass die nationale "Kostenerstattungsregelung" in Nr. 7008 VV europarechtskonform auszulegen sei mit der Folge, dass Staatsangehörige oder Gesellschaften aus anderen EU-Mitgliedstaaten nach dem Unionsrecht nicht diskriminiert werden dürfen. Dies könne dazu führen, dass nicht nur in Deutschland erhobene, sondern auch die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union von den Prozessparteien geschuldete Umsatzsteuer erstattungsfähig sei (s. OLG München JurBüro 2004, 380 für 20 % Umsatzsteuer nach Österreichischem Recht für einen deutschen Einvernehmensanwalt; FG Köln, Beschl. v. 1.12.2014 – 10 Ko 1901/14 für die in anderen EU-Staaten (dort: Dänemark) geschuldete Umsatzsteuer).
2. Umsatzsteuer eines Nicht-EU-Mitgliedsstaates
Ein solcher Fall hat hier nach den weiteren Ausführungen des OLG Brandenburg jedoc...