Vorbem. 4.1 Abs. 3, Nr. 4122 VV RVG
Leitsatz
Voraussetzung für die Nichtberücksichtigung einer Pause bei der Berechnung der für den sog. Längenzuschlag maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer ist, dass die Unterbrechung der Hauptverhandlung mindestens eine Stunde andauerte und vom Vorsitzenden unter Angabe eines konkreten Zeitpunkts der Fortsetzung angeordnet wurde. Wird dann die Hauptverhandlung aus von dem Rechtsanwalt nicht zu vertretenden Gründen erst nach dem genannten Zeitraum fortgesetzt, ist nur der vom Vorsitzenden angeordnete Zeitraum zu berücksichtigen, nicht die Dauer der tatsächlichen Unterbrechung.
OLG Jena, Beschl. v. 12.4.2024 – 3 St 2 BJs 4/21; OLG Jena, Beschl. v. 18.4.2024 – 3 St 2 BJs 4/21
I. Sachverhalt
Gegen den Angeklagten ist ein Verfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung u.a. anhängig. In diesem ist der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet. Der Rechtsanwalt hat einen Vorschuss gem. § 47 RVG beantragt, und zwar u.a. auch für eine Terminsgebühr für die Teilnahme an einem Hauptverhandlungstermin, für die zudem auch ein Längenzuschlag nach Nr. 4122 VV geltend gemacht worden ist. Dieser ist festgesetzt worden.
Gegen die Festsetzung hat die Staatskasse Erinnerung eingelegt. Dieser hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) mit Beschl. v. 12.4.2024 nicht abgeholfen. Auf Vorlage der UdG hat der Einzelrichter des Senats die Erinnerung mit Beschl. v. 18.4.2024 zurückgewiesen. Der Senat hat sich in seinem Beschl. v. 18.4.2024 die Begründung der UdG für die Nichtabhilfe im Beschl. v. 12.4.2024 zu Eigen gemacht und auf sie verwiesen. Die UdG hatte Folgendes ausgeführt:
II. Pausenregelung
Gem. Nr. 4122 VV entstehe die Zusätzliche Gebühr/der Längenzuschlag, wenn der Rechtsanwalt an mehr als 5 bis 8 Stunden Hauptverhandlung teilnehme. Ausweislich der Vorbem. 4.1 Abs. 3 VV seien Wartezeiten und Unterbrechungen an einem Hauptverhandlungstag als Teilnahme zu berücksichtigen, es sei denn der Rechtsanwalt habe diese zu vertreten oder die Unterbrechung dauerte mindestens eine Stunde an und wurde unter Angabe einer konkreten Dauer oder eines Zeitpunkts der Fortsetzung angeordnet.
Ausweislich des Protokolls über den Hauptverhandlungstermin sei die Verhandlung um 12.35 Uhr für eine Mittagspause unterbrochen worden, wobei die Verhandlung auf Anordnung des Vorsitzenden um 13.30 Uhr fortgesetzt werden sollte. Tatsächlich wurde die Verhandlung erst um 13.35 Uhr fortgesetzt. Mithin belaufe sich die angeordnete Unterbrechung auf 55 Minuten. Die tatsächliche Unterbrechung beläuft sich auf 60 Minuten.
Voraussetzung für den Abzug der Unterbrechung sei gem. Vorbem. 4.1. Abs. 3 S. 2 VV, dass diese mindestens eine Stunde andauerte und vom Vorsitzenden unter Angabe eines konkreten Zeitpunkts der Fortsetzung angeordnet wurde. Werde dann die Hauptverhandlung aus von dem Rechtsanwalt nicht zu vertretenden Gründen erst nach dem genannten Zeitraum fortgesetzt, sei nur der vom Vorsitzenden angeordnete Zeitraum zu berücksichtigen, nicht die Dauer der tatsächlichen Unterbrechung (vgl. LG Mannheim AGS 2022, 312),
Der angeordnete Zeitraum belaufe sich, wie ausgeführt, auf 55 Minuten. Unterbrechungen von bis zu einer Stunde seien grds. immer als Teilnahme zu berücksichtigen (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 26. Aufl., 2023, VV Vorbem. 4.1 Rn 23), es sei denn, der Rechtsanwalt habe diese zu vertreten. Dies wäre der Fall, wenn die Unterbrechung auf Wunsch des Rechtsanwalts angeordnet wurde, etwa weil dieser einen anderen Termin wahrnehmen muss (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV Vorbem. 4.1 Rn 25). Ausweislich des Protokolls des Hauptverhandlungstermins sei aber die Verhandlung für eine Mittagspause unterbrochen worden. Vor diesem Hintergrund sei daher ein Vertretenmüssen des Rechtsanwalts nicht erkennbar.
III. Berechnung der Terminsdauer
Die zu berücksichtigende Dauer des Termins setze sich – so Senat und UdG – wie folgt zusammen:
Die Hauptverhandlung wurde um 10.05 Uhr eröffnet, wobei der Beginn zuvor auf 10.00 Uhr bestimmt war. Die 5 Minuten Wartezeit seien bei der Berechnung der Verhandlungsdauer mit zu berücksichtigen.
Ausweislich des Protokolls wurde die Verhandlung um 15.55 Uhr geschlossen. Da die Mittagspause als Unterbrechung nicht in Abzug zu bringen sei, belaufe sich die gesamte zu berücksichtigende Verhandlungszeit auf 5.55 Stunden.
Der Pflichtverteidiger habe somit an mehr als 5 bis 8 Stunden Hauptverhandlung teilgenommen, der Längenzuschlag gem. Nr. 4122 VV sei also entstanden.
IV. Bedeutung für die Praxis
1. Die Gebührenrechtslage
Den überzeugenden Ausführungen der UdG ist nichts hinzuzufügen, außer dass sie zutreffend sind. Das hatte ja auch schon der Einzelrichter des Senats erkannt, der sich der UdG und ihrer Begründung angeschlossen hat. Die Ausführungen entsprechen der Intention der Neuregelung in der Vorbem. 4.1 Anm. 3 VV durch das KostRÄG 2021 (dazu Burhoff, AGS 2021, 49 und StraFo 2021, 8, auch noch Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen. 6. Aufl., 2021, Vorbem. 4 VV Rn 44 ff.). Als Faustregel ist danach festzuhalten:
Hinweis
Pausen bis zu einer Stunde wer...