§§ 35, 42 Abs. 1 FamGKG; Nr. 1900 FamGKG KV; § 745 Abs. 2 BGB
Leitsatz
- Der Wert eines Verfahrens auf Zahlung künftiger Nutzungsentschädigung für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung ist mit dem Jahreswert des monatlich geforderten Betrags zu bemessen. Bei Antragstellung fällige Beträge sind hinzuzurechnen.
- Ein Vergleichsmehrwert ist nicht festzusetzen, wenn Ansprüche mitverglichen werden, die zwar nicht in dem betreffenden Verfahren, aber in einem anderen gerichtlichen Verfahren anhängig sind.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.6.2024 – 18 UF 137/23
I. Sachverhalt
Der Antragsteller hatte nach Rechtskraft der Scheidung beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, fällige und zukünftige Nutzungsentschädigungen zu zahlen. Das FamG hat dem Antrag teilweise stattgegeben und ihn i.Ü. abgewiesen. Gegen diesen Beschluss haben beide Beteiligte Beschwerde eingelegt. Vor dem OLG wurde sodann eine Einigung geschlossen und darin auch ein vor dem FamG anderweit anhängiges Verfahren über Kindesunterhalt mitverglichen. Das OLG hat daraufhin den Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren auf den Jahresbetrag der noch im Streit befindlichen Nutzungsentschädigung festgesetzt zzgl. der streitigen fälligen Beträge. Für den Vergleich über den Kindesunterhalt hat das OLG die Festsetzung eines Mehrwerts abgelehnt.
II. Wert der laufenden Nutzungsentschädigung richtet sich nach § 42 Abs. 1 FamGKG
Bilden – wie hier – nacheheliche Ansprüche auf Nutzungsentschädigung gem. § 745 Abs. 2 BGB den Gegenstand des Verfahrens, bemisst sich deren Bewertung nach §§ 35, 42 Abs. 1 FamGKG, wobei sich die Bewertung der bei Antragstellung bereits fälligen Beträge nach § 35 FamGKG richtet und der Wert der künftig fällig werdenden Beträge gem. § 42 Abs. 1 FamGKG nach billigem Ermessen zu bestimmen ist (OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.6.2020 – 15 UF 15/20, juris Rn 15 m.w.N., AGS 2020, 403). Die Vorschrift des § 48 FamGKG findet keine Anwendung (so aber OLG Hamm, Beschl. v. 8.1.2013 – 6 UF 96/12, juris Rn 8, AGS 2013, 183), da der Streit um die nacheheliche Zahlung von Nutzungsentschädigung gem. § 745 Abs. 2 BGB keine Ehewohnungssache i.S.v. § 200 FamFG, sondern eine sonstige Familienstreitsache nach § 266 Abs. 1 FamFG darstellt.
III. Jahreswert ist maßgebend
Bei der Ausfüllung des in § 42 Abs. 1 FamGKG eröffneten Ermessens ist auf die in § 51 Abs. 1 S. 1 FamGKG enthaltene Wertung zurückzugreifen und der 12-fache Monatswert der geltend gemachten monatlichen Nutzungsentschädigung heranzuziehen (OLG Hamm, Beschl. v. 20.7.2023 – 5 UF 78/23, juris Rn 3; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.9.2021 – 6 UF 87/21, juris Rn 7; OLG Braunschweig, Beschl. v. 21.3.2017 – 1 UF 106/16, juris Rn 14 ff., AGS 2017, 341; OLG Naumburg, Beschl. v. 2.9.2014 – 3 UF 229/13, juris Rn 13, AGS 2015, 36, und v. 7.12.2017 – 3 W 15/17, juris Rn 7; Prütting/Helms/Dürbeck, FamFG, 6. Aufl., 2023, § 200 Rn 8; Musielak/Borth/Frank/Frank, FamFG, 7. Aufl., 2022, § 42 FamGKG Rn 9).
Die Beschränkung des Werts für die Geltendmachung wiederkehrender Unterhaltsleistungen auf den für die ersten zwölf Monate nach Einreichung des Antrags geforderten Betrag dient dem Zweck, die anfallenden Gebühren auf ein sozial verträgliches Maß zu beschränken und das Kostenrisiko für die Beteiligten überschaubar zu halten (BeckOK KostR/Neumann, 44. Ed., Stand: 1.4.2024, § 51 FamGKG Rn 4; Toussaint, Kostenrecht, 54. Aufl., 2024, § 51 FamGKG Rn 1). Dieser Schutzzweck lässt sich auf Streitigkeiten betreffend die an den Miteigentümer-Ehegatten zu zahlende Entschädigung für die nacheheliche Nutzung gemeinsam erworbenen Wohnraums übertragen, da die Materien Unterhalt und Nutzungsvergütung sowie Fragen betreffend die Bedienung oder Freistellung von gemeinsamen Darlehensverbindlichkeiten häufig in engem Zusammenhang und Wechselwirkung zueinander stehen. Zwar hat die gemeinsame Immobilie nach der Scheidung ihren Charakter als Ehewohnung verloren (jurisPK-BGB/Faber, 10. Aufl., 2023, § 1361b Rn 10). Dennoch bleibt die Bruchteilsgemeinschaft der ehemaligen Ehegatten familienrechtlich überlagert, sodass eine unterschiedliche Behandlung gegenüber sonstigen Bruchteilsgemeinschaften in gebührenrechtlicher Hinsicht gerechtfertigt ist (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 7.12.2017 – 3 W 15/17, juris Rn 7; a.A. OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.6.2020 – 15 UF 15/20, juris Rn 17, AGS 2020, 403).
Der vereinzelt befürwortete Rückgriff auf § 48 Abs. 1 GKG, § 9 ZPO und daraus folgend die Heranziehung des dreieinhalbfachen Jahreswerts der geforderten Nutzungsentschädigung für die Bestimmung des Verfahrenswerts (OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.6.2020 – 15 UF 15/20, juris Rn 16 f., AGS 2020, 403; OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.5.2013 – 6 UF 373/11, juris Rn 4, AGS 2013, 341) führt demgegenüber zu nicht sachgerechten Ergebnissen und verbietet sich aus Sicht des Senats bereits aufgrund der Spezialität der Regelungen des FamGKG für familienrechtliche Streitigkeiten (BeckOK ZPO/Wendtland, Stand: 1.3.2024, § 9 Rn 2).
IV. Kein Vergleichsmehrwert
Ein Vergleichsmehrwert ist vom Gericht nur dann festzusetzen, wenn im Verfahren ein gerichtlicher Vergleich über Gegenstände geschlossen wird, die nicht Gegenstand des Verfahrens sind oder gew...