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Das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung nach § 537 ZPO genießt in der Praxis zu Unrecht ein Schattendasein und ist vielen Anwälten unbekannt. Dabei ist es sowohl für den Mandanten als auch für den Anwalt durchaus lukrativ, von dem Antrag auf Vollsteckbarerklärung Gebrauch zu machen.
I. Prozessuale Ausgangslage
1. Nicht angefochtener Teil des Urteils kann für vorläufig vollstreckbar erklärt werden
Nach § 537 ZPO kann ein erstinstanzliches Urteil, das nur teilweise angegriffen wird, vom Berufungsgericht für (unbedingt) vorläufig vollstreckbar erklärt werden, soweit es durch die Berufungsanträge nicht angefochten wird (diese Vorschrift war bis zum 31.12.2001 in § 534 ZPO enthalten, sodass bei älteren Entscheidungen noch die Vorschrift des § 534 ZPO zitiert wird). In Familienstreitsachen ist § 537 ZPO nicht anwendbar, da in § 117 FamFG nicht darauf verwiesen wird und § 120 FamFG besondere Regelungen zur Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit von Beschlüssen in Familienstreitsachen enthält.
2. Vorläufige Vollstreckbarerklärung ermöglicht Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung
Der Sinn und Zweck des Verfahrens auf vorläufige Vollstreckbarerklärung nach § 537 ZPO liegt darin, dem Gläubiger schon vor Eintritt der Rechtskraft die Zwangsvollstreckung zu erleichtern, soweit das vorinstanzliche Urteil vom Schuldner nicht angefochten worden ist. Ohne die (unbedingte) vorläufige Vollstreckbarerklärung nach den §§ 537 ff. ZPO müsste der Gläubiger anderenfalls auch zur Vollstreckung aus dem nicht angefochtenen Teil des Urteils eine vom Gericht nach § 709 ZPO angeordnete Sicherheit leisten oder er könnte durch eine vom Schuldner gestellte Sicherheitsleistung an der Vollstreckung gehindert werden (§§ 711, 708 Nr. 4 bis 11, 712 ZPO). Die Vollstreckungsschutzanordnungen nach den §§ 709 ff. ZPO bleiben nämlich auch dann für das gesamte Urteil bestehen, wenn es nur teilweise angefochten wird. Der Suspensiveffekt eines Rechtsmittels erstreckt sich nicht nur auf den angefochtenen Teil, sondern auf das gesamte vorinstanzliche Urteil, auch, soweit es nicht angefochten worden ist. Dies hat letztlich seinen Grund darin, dass die eine beschränkte Berufung später erweitert werden kann und der Gegner die Möglichkeit hat, Anschlussberufung einzulegen.
Beispiel
Der Kläger hatte 20.000,00 EUR eingeklagt. Das Gericht hat den Beklagten zur Zahlung von 12.000,00 EUR verurteilt und gem. § 709 ZPO eine Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu volltreckenden Betrags angeordnet.
a) Der Kläger legt innerhalb eines Monats Berufung ein, mit der er die Verurteilung des Beklagten zu 20.000,00 EUR weiterverfolgt. Der Beklagte legt innerhalb der Berufungsfrist keine Berufung ein.
b) Der Kläger legt keine Berufung ein. Der Beklagte legt Berufung ein, soweit er zu einer höheren Zahlung als 5.000,00 EUR verurteilt worden ist.
Obwohl das erstinstanzliche Urteil im Fall a) vom Beklagten hinsichtlich seiner Verurteilung nicht angefochten worden ist, verhindert die Berufung des Klägers, dass hinsichtlich des nicht angegriffenen Teils (Verurteilung zur Zahlung von 12.000,00 EUR) Rechtskraft eintritt. Dies wiederum beruht darauf, dass der Beklagte noch Anschlussberufung einlegen und sich auch gegen seine Verurteilung zur Zahlung der 12.000,00 EUR wehren könnte.
Im Fall b) tritt hinsichtlich der nicht angegriffenen 5.000,00 EUR ebenfalls keine Rechtskraft ein, weil der Beklagte die Berufung erweitern und die gesamte Verurteilung von 12.000,00 EUR angreifen könnte.
Um ohne Sicherheitsleistung vollstrecken zu können, muss also der Kläger in beiden Fällen nach § 537 ZPO beantragen, dass das Urteil, soweit es nicht mit der Berufung angegriffen ist, für vorläufig vollstreckbar erklärt wird.
Die Entscheidung über die unbedingte Vollstreckbarerklärung trifft das Berufungsgericht durch Beschluss nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist. Eine mündliche Verhandlung ist nicht vorgesehen (§ 537 Abs. 1 S. 2 ZPO), gleichwohl aber möglich. Aufgrund des Beschlusses des Rechtsmittelgerichts kann dann der jeweilige Gläubiger ohne jegliche Einschränkung die Zwangsvollstreckung aus dem vorinstanzlichen Urteil betreiben.
II. Die Vergütung des Anwalts
1. Die gesetzlichen Regelungen
a) Verfahren kann gesonderte Angelegenheit sein
Hinsichtlich der Berechnung der Anwaltsvergütung erscheint das RVG auf den ersten Blick widersprüchlich zu sein, da es einerseits in § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG anordnet, dass die Tätigkeit des Anwalts im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines Urteils zum Rechtszug gehört und somit durch die Gebühren der Nrn. 3100 ff. VV abgegolten wird, andererseits in Nr. 3329 VV ein eigener Gebührentatbestand hierfür vorgesehen ist. Ein Widerspruch zwischen § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG und Nr. 3329 VV besteht jedoch nur scheinbar. Obwohl das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung prozessual stets zum Berufungsverfahren gehört und unter dem dortigen Aktenzeichen bearbeitet wird, kann das Verfahren gebührenrechtlich je nach Fallgestaltung zum Rechtsmittelverfahren zählen oder eine eigene Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG darstellen.
b) Umfang der Angelegenheit
aa) Selbstständige Angelegenheit oder Teil des Rechtsmittelverfahrens?
Eine gesonderte Angelegenheit, die nach Nr. 3329 VV zu vergüten ist, liegt...