RVG § 7, 45 Abs. 1, 48; RVG VV Nr. 1008
Leitsatz
Ist einem Streitgenossen ohne Einschränkung Prozesskostenhilfe bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet worden, der auch weitere Streitgenossen vertritt, dann hat der beigeordnete Rechtsanwalt gegen die Staatskasse einen Vergütungsanspruch in Höhe der vollen Gebühren, jedoch ohne den Zuschlag nach Nr. 1008 VV für die Vertretung der weiteren Streitgenossen.
LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 31.1.2018 – L 39 SF 186/16 B E
1 Sachverhalt
Zwischen den Beteiligten steht die Höhe des Vergütungsanspruchs eines im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts in Streit.
Der als Rechtsanwalt zugelassene Antragsteller stellte im Namen eines Ehepaars einen gegen das Jobcenter gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zugleich stellte er den Antrag, ihn im Wege der Prozesskostenhilfe sowohl dem Ehemann als auch der Ehefrau beizuordnen. Das SG lehnte den auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Antrag und den auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gerichteten Antrag des Ehemanns (mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung) ab. Dem Prozesskostenhilfegesuch der Ehefrau gab es statt.
Mit späterem Schriftsatz stellte der Antragsteller den Antrag, die ihm aus der Landeskasse für das unter dem Aktenzeichen registrierte Verfahren zu zahlende Vergütung wie folgt festzusetzen:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
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300,00 EUR |
Post-/Telekommunikationspauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
320,00 EUR |
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Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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60,80 EUR |
Gesamt |
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380,80 EUR |
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG setzte die Vergütung, die der Antragsteller aus der Landeskasse für das unter dem Aktenzeichen registrierte Verfahren beanspruchen kann, wie folgt fest:
Verfahrensgebühr, Nrn. 3102, 1008 VV |
390,00 EUR |
Post-/Telekommunikationspauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
77,90 EUR |
zusammen: |
487,90 EUR |
"Kopfteil Antragstellerin zu 2)" (Ehefrau) |
243,95 EUR |
Hiergegen hat der Antragsteller Erinnerung eingelegt und beantragt, "unter Aufrechterhaltung des Beschlusses im Übrigen die aus der Landeskasse im Wege der Prozesskostenhilfe zu erstattenden Kosten um weitere 243,95 EUR auf 487,90 EUR festzusetzen".
Das SG hat die Erinnerung zurückgewiesen. Diese sei unzulässig, soweit der Erinnerungsführer im Erinnerungsverfahren die Vergütung eines die ursprüngliche Kostenrechnung übersteigenden Betrages geltend mache. Im Übrigen sei sie zulässig, jedoch nicht begründet. Dies ergebe sich aus dem Beschl. d. SG Berlin vom 4.11.2014 (S 164 SF 4905/14 E).
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt und beantragt, "auf den Vergütungsfestsetzungsantrag weitere 243,95 EUR" festzusetzen. Werde – wie hier – nur einem von mehreren Streitgenossen Prozesskostenhilfe bewilligt, gebe es keinen stichhaltigen Grund, den Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts zu kürzen.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet.
Die Antwort auf die Frage, welche aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung ein Rechtsanwalt beanspruchen kann, der einem von mehreren Streitgenossen beigeordnet wurde, die ihn gemeinsam mit ihrer Prozessvertretung beauftragt haben, ist umstritten.
Einer Auffassung zufolge darf in solch einem Fall Prozesskostenhilfe schon nicht unbeschränkt bewilligt werden. Beauftragten zwei Streitgenossen ein und denselben Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in einem Rechtsstreit, der dieselbe Angelegenheit betreffe, lägen aber nur bei einem von ihnen die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor, dann beschränke sich die "Bewilligung bezüglich der Anwaltsgebühren auf die Erhöhungsbeträge" nach Nr. 1008 VV. Begründet wird diese Auffassung mit dem Sinn und Zweck des Prozesskostenhilferechts. Diesem widerspreche es, wenn die vermögende Partei aus Steuermitteln finanziell dadurch entlastet würde, dass ihr Prozessbevollmächtigter zugleich eine bedürftige Partei vertrete. Denn das sei das Ergebnis, wenn die Prozesskostenhilfe nicht in Höhe der Erhöhungsbeträge nach Nr. 1008 VV, sondern in Höhe der auf den bedürftigen Streitgenossen im Innenverhältnis entfallenden Kopfteilquote bewilligt werde (vgl. BGH, Beschl. v. 1.3.1993 – II ZR 179/91; OLG Koblenz, Beschl. v. 16.4.2012 – 14 W 194/12; Geimer, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., 2018, § 114 Rn 7; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl., 2017; § 114 Rn 11; Groß, Beratungshilfe, Prozesskostenhilfe, Verfahrenskostenhilfe, 14. Aufl., 2018, II § 114 ZPO Rn 103).
Eine andere Meinung lehnt die zuerst genannte Ansicht im Grundsatz ab, hält sie jedoch "im Fall der klagenden Ehegatten" für gerechtfertigt, da hier "mit einer darüber hinausgehenden Kostentragung im Innenverhältnis nicht zu rechnen" sei (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs/Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 8. Aufl., 2016, Rn 60 und 63).
Der 13. Senat des OLG Karlsruhe verteidigt die zuerst ge...