RVG §§ 61, 16 Nr. 2
Leitsatz
Ist der Anwalt im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren vor der Änderung des RVG beauftragt worden und im zugehörigen Klageverfahren nach dem Stichtag, dann richtet sich die Vergütung im Klageverfahren nach neuem Recht.
OLG München, Beschl. v. 18.6.2018 – 11 W 340/18
1 Sachverhalt
Der (spätere) Kläger hatte mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten v. 20.3.2013 zunächst Prozesskostenhilfe für eine Klage beantragt, mit der er gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld im Zusammenhang mit einem Gleitschirmunfall geltend machen wollte. Hierauf zeigten die Rechtsanwälte der (späteren) Beklagten am 10.4.2013 an, die Beklagte zu vertreten.
Nach Auseinandersetzungen über die Reichweite der zunächst nur teilweise gewährten Prozesskostenhilfe erhob der Kläger schließlich mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten v. 9.7.2015 die entsprechende Klage. Mit Schriftsatz v. 23.7.2015 zeigten hierauf die Beklagtenvertreter ihre Beauftragung (auch im Klageverfahren) an und teilten die Verteidigungsabsicht der Beklagten mit.
Nach Abweisung der Klage durch Urt. v. 23.8.2017 beantragten die Anwälte der Beklagten für diese Kostenfestsetzung, wobei sie der Gebührenberechnung das neue – ab dem 1.8.2013 gültige – Kostenrecht zugrunde legten. Auf die näheren Ausführungen der Beklagten setzte der Rechtspfleger die Kosten antragsgemäß fest: Das ursprünglich erteilte Mandat habe lediglich die Vertretung im Prozesskostenhilfeverfahren betroffen, während ein unbedingter Auftrag zur Verteidigung gegen die Klage selbst erst nach Inkrafttreten des neuen Gebührenrechts erteilt worden sei.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, die er im Wesentlichen damit begründet, bei den Verfahren über die Prozesskostenhilfe und dem späteren Rechtsstreit handele es sich gem. § 16 Nr. 2 RVG um nur eine Angelegenheit, weshalb für sämtliche Gebühren altes Recht Anwendung zu finden habe.
2 Aus den Gründen
Die gem. §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg; dabei kommt es angesichts der hier gegebenen konkreten Fallgestaltung nicht darauf an, inwieweit die vom Kläger genannten Oberlandesgerichte eine von der herrschenden Auffassung zu dieser Frage abweichende Auffassung vertreten.
Die Beklagtenvertreter haben hier unbestritten vorgetragen und auch anwaltlich versichert, der ursprüngliche Auftrag habe sich nur auf ein Tätigwerden im Zusammenhang mit der vom Kläger beantragten Prozesskostenhilfe bezogen. Demgegenüber sei der Auftrag zur Verteidigung gegen die erst im Jahre 2015 erhobene Klage am 13.7.2015 erteilt worden, mithin erst nach Anhängigkeit der Klage.
Damit sind die Ausführungen des Rechtspflegers sowohl in dem angefochtenen Beschluss wie auch in der Nichtabhilfeentscheidung vom 1.3.2018 zutreffend (ohne dass es noch darauf ankäme, ob die auch vom Rechtspfleger erwähnten Oberlandesgerichte zu Recht anderer Meinung sind als die herrschende Ansicht); auf die Ausführungen des Rechtspflegers in beiden Beschlüssen wird daher zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
§ 60 Abs. 1 Nr. 1 RVG geht von einem Auftrag aus, während hier – unstreitig – zwei, unterschiedliche, Aufträge vorliegen. Bereits deshalb ist ohne Weiteres der Kommentierung bei Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 23. Aufl., § 60 Rn 9 zu folgen, wobei nicht etwa ein einheitlicher Auftrag "zu konstruieren", vielmehr die Frage zu stellen ist, wie viele Aufträge tatsächlich vorliegen. Hier sind es zwei, weshalb kein Anlass besteht, auch die durch den zweiten, späteren, Auftrag ausgelösten Gebühren noch dem alten Recht zu unterwerfen. Für die Vertretung im PKH-Verfahren entstehen nämlich andere Gebühren (Nr. 3335 VV) als im späteren Hauptsacheverfahren (dort Nr. 3100 VV, vgl. Mayer, a.a.O., § 60 Rn 4, 9).
Auch § 15 Abs. 2 RVG, wonach die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal gefordert werden können, steht dem nicht entgegen. Dort nämlich wird ebenfalls davon ausgegangen, dass ein einheitlicher Auftrag vorliegt (Mayer, a.a.O., § 15 Rn 8), während hier zwei Aufträge erteilt wurden. Beim Anwalt des Beklagten scheidet in aller Regel ein unbedingter Auftrag für das Hauptsacheverfahren aus, wenn die Klage – wie hier – noch nicht erhoben ist (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, a.a.O., Nr. 3335 VV Rn 23 f.).
Unter diesen Umständen ist ein näheres Eingehen auf die von Klägerseite zitierten OLG-Beschlüsse nicht mehr veranlasst:
Bei dem Beschl. d. OLG Köln v. 25.7.2005 – 32 F 157/05 (Hinweis der Schriftleitung: Gemeint ist offenbar 25 WF 106/05 [= AGS 2005, 448]) ging es um Gebühren der Klägervertreter, wobei offensichtlich ein Auftrag auch bedingt, für den Fall einer PKH-Bewilligung, bereits erteilt worden war. Entsprechendes gilt für den Beschl. d. OLG Zweibrücken v. 28.6.2005 – 5 WF 83/05; auch hier war ein unbedingter Auftrag bereits vor dem Stichtag (anderes Gebührenrecht) erteilt worden.
Nur bei der Entscheidung des OLG Koblenz v. 19.1.2006 – 14 W 35/06 [= AGS 2006, 183] ging es um Gebühren der Beklagtenvertreter – aus de...