Leitsatz
Die fiktive Terminsgebühr in sozialgerichtlichen Verfahren beläuft sich auf 90 % der jeweiligen Verfahrensgebühr, unabhängig davon, ob auf die Verfahrensgebühr eine vorangegangene Geschäftsgebühr hälftig anzurechnen ist.
SG Dresden, Beschl. v. 30.6.2015 – S 28 SF 132/15 E
1 Sachverhalt
Der Anwalt der Kläger war für drei Auftraggeber zunächst im Widerspruchsverfahren gegenüber der Sozialbehörde tätig. Nach Zurückweisung des Widerspruchs hatte der Anwalt für die Auftraggeber Klage erhoben. Daraufhin erkannte die beklagte Behörde das Klagebegehren schriftlich an und erklärte ein Kostengrundanerkenntnis. Der Anwalt der Kläger erklärte, das Anerkenntnis anzunehmen. Hiernach beantragten die Kläger die Festsetzung der ihnen entstandenen Anwaltskosten.
Dabei berechnete ihr Anwalt für das Widerspruchsverfahren eine Geschäftsgebühr aus Nr. 2400 VV a.F., da das Widerspruchsverfahren noch vor dem 1.8.2013 eingeleitet worden war. Ausgehend von der Schwellengebühr von 240,00 EUR (Anm. zu Nr. 2400 VV a.F.) und einer Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV um 60 % berechnete der Anwalt einen Betrag i.H.v. 384,00 EUR nebst Auslagen und Umsatzsteuer.
Für das gerichtliche Verfahren berechnete er eine Verfahrensgebühr nach Nrn. 3102, 1008 VV n.F. i.H.v. 480,00 EUR. Hierauf rechnete er die vorangegangene (nicht erhöhte) Geschäftsgebühr hälftig mit 120,00 EUR an. Die Terminsgebühr berechnete der Anwalt mit 252,00 EUR. Diese berechnete er mit 90 % der nicht erhöhten Verfahrensgebühr.
I. Widerspruchsverfahren
1. |
Geschäftsgebühr, Nrn. 2400 a.F., 1008 VV |
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384,00 EUR |
2. |
Auslagen, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
404,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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76,76 EUR |
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Gesamt |
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480,76 EUR |
II. Klageverfahren
1. |
Verfahrensgebühr, Nrn. 3102, 1008 VV |
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480,00 EUR |
2. |
anzurechnende Geschäftsgebühr Vorbem. 3 Abs. 4 VV |
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-120,00 EUR |
3. |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
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252,00 EUR |
4. |
Auslagen, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
632,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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120,08 EUR |
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Gesamt |
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752,08 EUR |
Auf dieser Basis meldeten die Kläger ihre Kosten zur Festsetzung an.
Die beklagte Behörde demgegenüber war der Auffassung, dass sich die Terminsgebühr lediglich aus 90 % der nach Anrechnung reduzierten Verfahrensgebühr berechne, mithin (300,00 EUR – 120,00 EUR =) 180,00 EUR x 90 % = 162,00 EUR.
Die Erinnerungsführerin erklärte sich zur Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens in beantragter Höhe bereit. Für das Klageverfahren machte sie geltend, dass nur eine Terminsgebühr von 162,00 EUR festzusetzen sei, da diese sich i.H.v. 90 % der um die Geschäftsgebühr bereits geminderten Verfahrensgebühr – jeweils ohne Berücksichtigung der Erhöhung nach Nr. 1008 VV – bemesse. Also könne vorliegend nur von einer nach der Anrechnung der Geschäftsgebühr geminderten Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV i.H.v. [300 – 120=] 180 EUR ausgegangen und davon die Terminsgebühr i.H.v. 90 % [= 162,00 EUR] bestimmt werden.
Der Urkundsbeamte hat antragsgemäß festgesetzt. Die hiergegen erhobene Erinnerung der Behörde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Erinnerung ist nach § 197 Abs. 2 SGG zulässig und statthaft, aber unbegründet.
Den Erinnerungsgegnern steht die Kostenerstattung in der festgesetzten Höhe zu, so dass der Erinnerungsführer durch den Kostenfestsetzungsbeschluss nicht rechtswidrig in seinen Rechten verletzt wird.
1. Gegenstand des Verfahrens ist allein die Festsetzung der Kosten des Klageverfahrens.
Dabei war die Gebührenfestsetzung für das Klageverfahren, das erst nach dem 1.8.2013 erhoben wurde, gem. § 60 Abs. 1 S. 2 RVG nach dem RVG in der ab 1.8.2013 geltenden Fassung des 2. KostRMoG v. 23.7.2013, BGBl 2586 (im Folgenden: n.F.) vorzunehmen, die für das bereits zuvor begonnene Widerspruchsverfahren gem. § 60 Abs. 1 S. 1 nach dem RVG in der bis 31.7.2013 geltenden Fassung (im Folgenden a.F.).
2. Die Festsetzung der fiktiven Terminsgebühr Nr. 3106 VV in beantragter Höhe von 252,00 EUR ist nicht zu beanstanden.
a) Die Festsetzung der Gebühren im Rahmen der Betragsrahmengebühren erfolgt nach §§ 3, 14 RVG grundsätzlich nach den dort genannten Kriterien, insbesondere nach Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Abweichend hiervon bestimmt der Gebührentatbestand Nr. 3106 VV n.F. für die so genannte "fiktive" Terminsgebühr, dass die Gebühr nicht anhand der Kriterien des § 14 RVG im eröffneten Gebührenrahmen von 50,00–510,00 EUR zu bemessen ist, wie dies für die Wahrnehmung eines Gerichtstermins der Fall wäre. Vielmehr orientiert sich Anm. Abs. 2 zu Nr. 3106 VV an der Höhe der in derselben Angelegenheit zustehenden Verfahrensgebühr (ohne Berücksichtigung der Erhöhung nach Nr. 1008 VV) und bestimmt, dass davon ausgehend eine Gebühr in fester Höhe von 90 % anzusetzen sei.
b) Die Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV ist – der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitig – vorbehaltlich der Erhöhung Nr. 1008 VV für zwei weitere Mandanten – in Höhe der Mittelgebühr von 300,00 EUR entstanden. Davon ausgehend beträgt die fiktive Terminsgebühr 270,00 EUR.
Soweit der Rechtsanwalt...