Leitsatz
Es liegt keine wirtschaftliche Identität zwischen dem Bestandsstreit und der Klage auf Zahlung von Annahmeverzug i.S.d. Nr. I 6 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit vor, wenn der Erfolg der Zahlungsklage nicht alleine vom Ausgang des Bestandsstreits abhängt, sondern noch andere Anspruchsvoraussetzungen zwischen den Parteien im Streit stehen.
LAG Nürnberg, Beschl. v. 2.7.2015 – 4 Ta 60/15
1 Sachverhalt
Der Kläger (Bruttomonatsverdienst: 2.100,00 EUR) wendet sich mit seiner Klage gegen die fristlose Kündigung der Beklagten vom 8.9.2014 nach erfolgter Eigenkündigung zum 31.10.2014.
Im Wege der Klageerweiterung macht er die Auszahlung einbehaltenen Nettolohns i.H.v. 1.187,28 EUR und Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 10.9. bis 31.10.2014 in einer Gesamthöhe von 3.570,00 EUR brutto geltend.
Die Beklagte wendet gegen den Anspruch auf Annahmeverzugslohn ein, der Kläger sei wegen einer aufgenommenen Konkurrenztätigkeit nicht leistungswillig gewesen, es liege ein Fall der Unzumutbarkeit vor und sie übe ein Zurückbehaltungsrecht wegen noch zu beziffernder Schadensersatzansprüche aus.
Der Rechtsstreit ist durch Abschluss eines Vergleichs beigelegt worden.
Das Erstgericht hat den Streitwert auf 4.757,28 EUR festgesetzt.
Es hat hierbei für die Feststellungsklage 3.570,00 EUR in Ansatz gebracht und den Betrag der Nettolohnklage addiert.
Mit ihrer beim Erstgericht eingereichten Beschwerde beantragen die Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Festsetzung eines Streitwertes von 8.327,28 EUR unter Berücksichtigung des neben der Feststellungsklage eingeklagten Annahmeverzugslohns.
Das Erstgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem LAG zur Entscheidung vorgelegt, das der Beschwerde stattgegeben hat.
2 Aus den Gründen
Der Streitwert ist auf 8.327,28 EUR festzusetzen, §§ 42 Abs. 3 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, 3 ZPO.
Das ArbG hat den Feststellungsantrag, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten nicht beendet worden ist, zutreffend mit 3.570,00 EUR bewertet, § 42 Abs. 4 S. 1 GKG, denn zwischen den Parteien war nur der Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen dem 10.9. und 31.10.2014 in Streit (vgl. Streitwertkatalog Nr. I 19).
Zutreffend wurde die Nettolohnklage dazu addiert, § 39 Abs. 1 GKG.
Das Erstgericht hätte den im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten Anspruch auf Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 10.9. bis 31.10.2014 i.H.v. insgesamt 3.570,00 EUR nicht unberücksichtigt lassen dürfen.
Bei der Klage auf Annahmeverzugslohn handelt es sich um einen bürgerlichen Rechtsstreit, bei dem sich der Gegenstandswert grundsätzlich nach der Höhe der geltend gemachten Geldforderung richtet, §§ 48 Abs. 1 S. 1 GKG, 3 ZPO.
Wird neben dem Feststellungsantrag auch der vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreites abhängige Annahmeverzugslohn eingeklagt und übersteigt der Zeitraum, für den Annahmeverzugslohn begehrt wird, die Anzahl der für den Feststellungsantrag festzusetzenden Bruttomonatseinkommen, ist bis zur Höchstgrenze des § 42 Abs. 3 S. 1 GKG (früher § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG) wegen wirtschaftlicher Identität eine Verrechnung durchzuführen (vgl. LAG Nürnberg v. 12.2.1988 – 6 Ta 22/87, LAGE Nr. 73 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; v. 21.7.1988 – 1 Ta 6/88, LAGE Nr. 74 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; v. 2.12.2003 – 9 Ta 190/03, MDR 2004, 718; v. 3.1.2008 – 4 Ta 188/07).
Von einer wirtschaftlichen Identität ist nach st. Rspr. des Beschwerdegerichts (LAG Nürnberg v. 12.2.1988 – 6 Ta 22/87, LAGE Nr. 73 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; v. 21.7.1988 – 1 Ta 6/88, LAGE Nr. 74 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; v. 1.8.2003 – 6 Ta 98/03, AR-Blattei ES 160.13, Nr. 247; v. 2.12.2003 – 9 Ta 190/03, AR-Blattei ES 160.13, Nr. 255) dann auszugehen, wenn die geltend gemachten Zahlungsansprüche lediglich vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängen und vom Prozessgegner keine weitergehenden Einwände gegen die Entstehung oder für das Erlöschen des Zahlungsanspruchs erhoben werden.
So ist auch die Regelung in Nr. I 6 des Streitwertkatalogs – Fassung vom 9.7.2014 – zu verstehen, denn die dort beschriebene Abhängigkeit des Zahlungsanspruchs vom Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens ist als eine ausschließliche zu verstehen, wie in der vorausgegangenen Fassung des Streitwertkatalogs auch unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht.
Dies war hier nicht der Fall, denn die begehrte Lohnzahlung war nicht alleine vom Ausgang des Feststellungsverfahrens abhängig, sondern von weiteren tatsächlichen und rechtlichen Streitpunkten zwischen den Parteien, die behauptete Konkurrenztätigkeit des Klägers ab dem 1.9.2014 betreffend.
AGS, S. 419 - 420