Leitsatz
Grundlage der Kostenfestsetzung nach § 464b StPO ist nicht die sich aus der StPO ergebende materielle Rechtslage, sondern allein die gem. § 464 Abs. 2 StPO zu treffende gerichtliche Auslagenentscheidung.
LG Potsdam, Beschl. v. 27.2.2015 – 24 Qs 1/15
1 Sachverhalt
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung des durch das AG erstinstanzlich verurteilten Angeklagten und seines Verteidigers stellte das LG – Berufungsstrafkammer – das Verfahren gem. § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf eine bereits rechtskräftig gegen den Angeklagten verhängte Strafe ein, wobei die Kosten des Verfahrens – unter Verweis auf § 467 Abs. 1 u. 4 StPO – der Staatskasse auferlegt wurden.
In der Folge beantragte der Verteidiger die Festsetzung der ihm entstandenen Gebühren und Auslagen gegen die Staatskasse.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Rechtspflegerin des AG Rathenow den Kostenfestsetzungsantrag wegen fehlender Auslagenüberbürdung auf die Landeskasse zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Verteidigers, der zur Begründung ausgeführt hat, aus dem Fehlen einer Auslagenentscheidung könne hier nicht geschlossen werden, dass der Angeklagte die Auslagen zu tragen habe. Höchst vorsorglich und unter Protest beantrage er, die Auslagenentscheidung analog § 33a StPO nachzuholen.
2 Aus den Gründen
Der gem. §§ 464b S. 3 StPO, 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zulässigen sofortigen Beschwerde bleibt in der Sache der Erfolg versagt. Zu Recht hat die Rechtspflegerin des AG eine Erstattung der geltend gemachten anwaltlichen Gebühren und Auslagen abgelehnt. Denn es fehlt an einer die Erstattungspflicht der Landeskasse begründenden Auslagenüberbürdung. Eine solche ist mit der Kostenentscheidung in dem Einstellungsbeschluss der Berufungsstrafkammer des LG nicht erfolgt.
Gem. § 464 Abs. 2 StPO ist die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, in dem das Verfahren abschließenden Urteil oder Beschluss zu treffen.
Eine Auslagenentscheidung nach dieser formellen Kostennorm ist allerdings nicht immer auszusprechen, sondern nur dann, wenn eine Erstattung notwendiger Auslagen rechtlich in Frage steht, weil eine Überbürdung zwingend vorgeschrieben ist oder von einer Ermessensentscheidung des Gerichts abhängt oder weil eine im Regelfall vorgesehene Überbürdung im Einzelfall versagt werden muss oder kann (vgl. Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., Bd. 9, § 464 Rn 19). Um die gebotene oder zulässige Abwälzung der einem Beteiligten entstandenen Auslagen vorzunehmen, bedarf es eines ausdrücklichen Ausspruchs, wer die Auslagen zu tragen hat, denn es ist gerade der Sinn des § 464 Abs. 2 StPO, dass die Entscheidung über die Auslagen für den Angeklagten und sonstige Beteiligte, aber auch für den Kostenbeamten, in sich klar und verständlich ist (Löwe/Rosenberg, a.a.O., § 464 Rn 24). Fehlt es an einer ausdrücklichen Auslagenentscheidung, verbleiben die notwendigen Auslagen bei demjenigen, dem sie entstanden sind (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 464 Rn 12).
So liegt der Fall hier. Die Entscheidung der Berufungsstrafkammer des LG, die Kosten des Verfahrens der Staatskasse aufzuerlegen, beinhaltet nicht zugleich die Entscheidung, die Staatskasse habe auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen. Die ergangene Kostenentscheidung kann auch nicht dahin ausgelegt werden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 464 Rn 12). Kosten des Verfahrens sind gem. § 464a Abs. 1 S. 1 StPO (nur) die Gebühren und Auslagen der Staatskasse. Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, die vorliegend vom Verteidiger geltend gemacht werden, gehören, wie sich aus § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO ergibt, hingegen nicht zu den Verfahrenskosten, sondern zu den notwendigen Auslagen des Angeklagten.
Anhaltspunkte für ein redaktionelles Versehen der Berufungsstrafkammer bestehen nicht. Dass lediglich eine Überbürdung der Verfahrenskosten auf die Staatskasse beabsichtigt war, zeigt der Verweis auf die Norm des § 467 Abs. 4 StPO, wonach bei Einstellungen, die im Ermessen des Gerichts liegen, davon abgesehen werden kann, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.
Soweit der Verteidiger meint, es gelte der gesetzlich normierte Regelfall des § 467 Abs. 1 StPO, weil eine begründete Ermessensentscheidung, die allein gem. § 467 Abs. 4 StPO eine Abweichung von der ansonsten bei einer Einstellung zwingenden Auslagenüberbürdung auf die Staatskasse rechtfertigen könne, im vorliegenden Fall unterblieben sei, kann er damit in dem jetzigen Verfahrensstadium nicht gehört werden. Denn nicht die sich aus den Kostennormen der Strafprozessordnung ergebende materielle Rechtslage bildet als Kostentitel die Grundlage der Kostenfestsetzung, sondern – selbst bei gesetzlich zwingenden Regelungen – erst der danach erfolgte gerichtliche Ausspruch (vgl. Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., § 464 Rn 4; LG Potsdam Rpfleger 2014, 624, 626).
Dem vom Verteidiger höchst vorsorglich gestellten Antrag, die Auslagenentscheidung analog § 33a ...