Leitsatz
- Nach den Änderungen durch das 2. KostRMoG fallen Grundgebühr und Verfahrensgebühr für den Verfahrensabschnitt, in dem der Rechtsanwalt erstmalig mit der Sache befasst wird, stets gleichzeitig an.
- Die Rücknahme der Revision löst ohne weitere Voraussetzungen die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV aus.
LG Chemnitz, Beschl. v. 6.5.2015 – 6 KLs 810 Js 44290/13
1 Sachverhalt
Mit seinem Vergütungsfestsetzungsbeschluss hatte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle dem Verteidiger die Festsetzung der beantragten Verfahrensgebühr Nr. 4107 VV sowie die geltend gemachte zusätzliche Gebühr der Nr. 4141 VV für die Rücknahme der Revision der Angeklagten versagt. Die dagegen erhobene Erinnerung hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Das Verhältnis von Grundgebühr und jeweiliger Verfahrensgebühr war früher umstritten. Nach der Ergänzung der Anm. Abs. 1 zu Nr. 4100 VV durch das 2. KostRMoG ist jetzt aber klargestellt, dass die Grundgebühr immer neben der jeweiligen Verfahrensgebühr entsteht. Der insoweit früher bestehende Streit ist damit erledigt. Es entsteht also mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts für den Mandanten in jedem gerichtlichen Verfahren eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr. Durch sie wird bereits die Information als Bestandteil des "Betreibens des Geschäfts" entgolten. Außerdem entsteht jeweils daneben auch eine Grundgebühr (Nr. 4100 VV). Diese honoriert den zusätzlichen Aufwand, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt. Die Grundgebühr Nr. 4100 VV hat also den Charakter einer Zusatzgebühr, die den Rahmen der Verfahrensgebühr erweitert. Sie ist damit im Grunde eine besondere Verfahrensgebühr, die das Betreiben des Geschäfts durch besondere Einarbeitungstätigkeiten des Rechtsanwalts honoriert. Zwar ändert dies nichts daran, dass die Grundgebühr einen eigenen Abgeltungsbereich hat und auch nach der Ergänzung durch das 2. KostRMoG behalten hat, was durch die Begründung der Neuregelung noch deutlicher wird als in der Vergangenheit. Das wiederum hat Auswirkungen auf die Bemessung der Grundgebühr und vor allem der daneben anfallenden jeweiligen Verfahrensgebühr. Denn die Tätigkeiten, die vom Abgeltungsbereich der Grundgebühr erfasst werden, können bei der Bemessung der Verfahrensgebühr nicht (noch einmal) herangezogen werden. Dies kann Einfluss auf die Bemessung der Höhe der Verfahrensgebühr erlangen (vgl. Burhoff, RVG, 21. Aufl., Nrn. 4100, 4101 VV Rn 9 m.w.N.).
Vorliegend stellt sich die Sachlage indessen so dar, dass nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Erinnerungsführers dieser in jedem der hinzu verbundenen Verfahren eine über den Abgeltungsbereich der Grundgebühr klar hinausgehende Tätigkeit entfaltet hat. Die Grundgebühr honoriert den zusätzlichen Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts, der einmalig mit, bei oder nach der Übernahme des Mandats für die erstmalige Einarbeitung entsteht. Das ist einmal das erste, häufig nicht sehr lange Gespräch mit dem Mandanten. Spätere, sich anschließende Gespräche, die zum Beispiel dem konkreten Aufbau einer Verteidigungsstrategie dienen – wie hier jeweils vom Verteidiger vorgetragen – werden nicht mehr von der Grundgebühr, sondern von der neben der Grundgebühr entstehenden Verfahrensgebühr abgegolten (vgl. Burhoff, a.a.O., Rn 10 m.w.N.).
Auch die geltend gemachte Gebühr gem. Nr. 4141 VV kann der Erinnerungsführer beanspruchen. Nach dem Gebührentatbestand fällt diese Gebühr an, wenn sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl, der Berufung oder der Revision des Angeklagten oder eines anderen Verfahrensbeteiligten erledigt. Eine solche Rücknahme hat der Erinnerungsführer vorliegend erklärt, nachdem zuvor Revision eingelegt worden war. Entgegen der Auffassung des Urkundsbeamten hat dieser Gebührentatbestand weder eine vorher erfolgte Revisionsbegründung noch einen bereits anberaumten Revisionshauptverhandlungstermin zur Voraussetzung. Vielmehr würde sich nach Anm. Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 4141 VV ein bereits anberaumter Revisionshauptverhandlungstermin allenfalls als Gebührenausschlussgrund darstellen, wenn die Revisionsrücknahme erst in den letzten zwei Wochen vor dem anberaumten Hauptverhandlungstermin erfolgt.
Auf die Erinnerung des Verteidigers war der Vergütungsfestsetzungsbeschluss deshalb entsprechend abzuändern.
AGS, S. 378 - 379