ZPO § 91; RVG VV Nrn. 7003 ff.
Leitsatz
- Tatsächlich angefallene Reisekosten einer auswärtigen Rechtsanwältin sind insoweit notwendig i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO und damit erstattungsfähig, als sie auch dann entstanden wären, wenn die obsiegende Partei eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt mit Niederlassung am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätte (vgl. BGH 9.5.2018 – I ZB 62/17, Rn 12 [= AGS 2018, 319]). Das gilt auch für die Arbeitsgerichtsbarkeit.
- Eine derart beigeordnete auswärtige Rechtsanwältin kann ihre Reisekosten bis zur größtmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks erstattet verlangen (so auch BGH 4.12.2018 – VIII ZB 37/18 [= AGS 2019, 42]).
- Bei Verfahren vor dem LAG Berlin-Brandenburg kommt es insoweit auch nicht darauf an, in dem Bezirk welchen erstinstanzlich zuständigen ArbG die Partei ansässig war bzw. ist. Unerheblich ist es insoweit auch, wie groß der LAG-Bezirk ist. Nicht maßgeblich ist insbesondere, dass er sich über zwei Bundesländer erstreckt.
LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 25.2.2019 – 26 Ta (Kost) 6144/18
1 Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Festsetzung von Reisekosten der Prozessbevollmächtigten der Beklagten.
Der Kläger hat sich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten gewandt. Das LAG hat die Klage abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Die Beklagte ließ sich in der Berufungsinstanz durch ihre in Frankfurt/Main ansässigen Prozessbevollmächtigten vertreten. Der Sitz der Beklagten liegt nach den Eintragungen im Handelsregister ebenfalls in Frankfurt/Main, während ihr Betrieb in Berlin-Tegel gelegen war und dort von der Geschäftsführung geleitet wurde.
Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag hat die Beklagte u.a. die Festsetzung von Reisekosten in Ansatz gebracht und dabei die Auffassung vertreten, sie habe einen an ihrem Geschäftssitz ansässigen Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung beauftragt, dessen Reisekosten zu erstatten seien. Später hat die Beschwerdegegnerin ihren Antrag korrigiert und auf die Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts reduziert, die auch dann entstanden wären, wenn die obsiegende Partei einen Rechtsanwalt mit Niederlassung am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätte, d.h. in dem Ort J.-K. D. (einfache Entfernung 160 km), und zwar i.H.v. 55,33 EUR.
Die Rechtspflegerin hat dem Festsetzungsantrag hinsichtlich der zuletzt beantragten Festsetzung entsprochen. Gegen diesen Beschluss hat sich die eingegangene Erinnerung des Klägers gerichtet. Maßgeblicher Gerichtsbezirk sei der des ArbG Berlin. Auf den Gerichtsbezirk des Berufungsgerichts komme es nicht an. Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Die Vorsitzende der Kostenkammer des ArbG hat die Erinnerung des Klägers zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen. Zur Begründung führt sie aus, Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen oder wohnhaften Anwalts könne die obsiegende Partei ausnahmslos erstattet verlangen, um zu vermeiden, dass es andernfalls zu einer Schlechterstellung der außerhalb des Bezirks niedergelassenen Rechtsanwälte im Vergleich zu den im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwälten komme. Maßgeblich sei das Gebiet des Landes Brandenburg. Der Kläger hat Beschwerde eingelegt. Er hält an seiner bisher vertretenen Auffassung fest, wonach in den Fällen, in denen das Verfahren erstinstanzlich in Berlin betrieben worden sei, auch für die Kosten in der Berufungsinstanz auf den Gerichtsbezirk des Landes Berlin abzustellen sei. Die Zusammenlegung der Landesarbeitsgerichte dürfe nicht dazu führen, dass fiktive Reisekosten erstattungsfähig seien. Hätte die Beklagte einen Rechtsanwalt in Jämlitz-Klein Düben beauftragt, hätte sie dessen Fahrtkosten auch nicht erstattet verlangen können.
Das ArbG (Richterin) hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1) Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 104 Abs. 3, § 567 Abs. 2 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Die für die Entscheidung über die Rechtspflegererinnerung zuständige Richterin kann die Beschwerde zulassen (vgl. BGH 17.5.2017 – XII ZB 621/15).
2) Die Beschwerde ist unbegründet.
a) In dem Kostenfestsetzungsverfahren wird nach einer gerichtlichen Kostengrundentscheidung über die Erstattungsfähigkeit von Verfahrenskosten nach prozessualen Maßstäben und nach Maßgabe des Kostenrechts entschieden (vgl. BAG 28.5.2009 – 8 AZR 226/08, zu II 1 m.w.N.).
b) Danach hat das ArbG die von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten zutreffend in nicht zu beanstandendem Umfang gegen die Beklagte festgesetzt. Nach der Kostengrundentscheidung hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das ArbG hat zu Recht auch die fiktiven Reisekosten eines im Bezirk des LAG Berlin-Brandenburg ansässigen Anwalts in Ansatz gebracht.
aa) Die Hinzuziehung der auswärtigen Rechtsanwälte war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung hier an sich nicht notwendig.
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