RVG § 15 Abs. 2; RVG VV Nrn. 1006, 3102, 3106
Leitsatz
- Dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG liegt regelmäßig nicht vor, wenn mehrere prozessuale Verfahren (Klageverfahren) nebeneinander geführt werden, solange sie nicht förmlich verbunden werden. Dies gilt auch, wenn es um dieselbe Leistung nach dem SGB II mit im Kern derselben Problematik (hier: Leistungen für Kosten der Heizung), nur für verschiedene Zeiträume, geht.
- Die Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV) ist angesichts eingetretener Synergieeffekte in einem so parallel zu einem "führenden" Verfahren betriebenen zweiten Verfahren in Höhe der halben Mittelgebühr festzusetzen, wenn kein für die Bemessung relevanter Umstand wenigstens durchschnittlich ausgeprägt war.
- Werden mehrere so nebeneinander geführte prozessuale Verfahren ohne förmliche Verbindung in einem im "führenden" Verfahren geschlossenen (Gesamt-)Vergleich (also unter Einbeziehung des parallel geführten Verfahrens) erledigt, entsteht in jedem dieser Verfahren eine Einigungsgebühr (Nr. 1006 i.V.m. Nr. 1005 VV).
- Eine Terminsgebühr (Nr. 3106 VV) setzt – abgesehen von den in S. 1 geregelten Fällen einer sog. fiktiven Terminsgebühr – voraus, dass der Termin tatsächlich stattfand. Hierzu muss das Verfahren aufgerufen oder sonstwie begonnen worden sein. Die bloße Verkündung eines Beschlusses über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe anlässlich des Termins im "führenden" Verfahren genügt hierfür ebenso wenig, wie die Protokollierung einer übereinstimmenden Erledigungserklärung im aufgerufenen führenden Verfahren, in dem der Vergleich geschlossen wurde.
LSG Stuttgart, Beschl. v. 27.6.2019 – L 10 SF 4412/18 E-B
1 Sachverhalt
Mit seiner Beschwerde begehrt der Erinnerungsführer eine Vergütung nach dem RVG für seine Tätigkeit als beigeordneter Rechtsanwalt in dem Hauptsacheverfahren S 15 AS 2395/16 beim SG im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH).
Jenem Verfahren ging zunächst Folgendes voraus: In dem Rechtsstreit S 15 AS 107/15 begehrte die dortige Klägerin einen höheren Heizkostenzuschuss nach dem SGB II. Angefochten waren insoweit zunächst die Bescheide des beklagten Jobcenters v. 17.9.2014 und 22.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids v. 8.12.2014 (betreffend den Leistungszeitraum v. 1.10.2014 bis 31.3.2015) und – nach (zuletzt) dreimaliger Erweiterung der Klage während des Hauptsacheverfahrens – weitere (vier Widerspruchs-)Bescheide betreffend eine Heizkostennachzahlung für das Jahr 2014 sowie die Leistungszeiträume v. 1.4. bis 30.9.2015 u. v. 1.10.2015 bis 31.3.2016.
In dem vorliegend in Rede stehenden Hauptsacheverfahren S 15 AS 2395/16 begehrte die dortige Klägerin ebenfalls die Gewährung höherer Leistungen für Heizkosten als bewilligt und zwar betreffend den Leistungszeitraum v. 1.4.2016 bis 31.3.2017 (Bescheid v. 11.3.2016, Widerspruchsbescheid v. 29.6.2016), ebenso wie in dem weiteren Hauptsacheverfahren S 15 AS 2394/16 (Bescheid v. 8.4.2016, Widerspruchsbescheid v. 5.7.2016: Ablehnung der Gewährung einer höheren Brennstoffbeihilfe als 229,58 EUR, s. insoweit das beim Senat anhängige Beschwerdeverfahren L 10 SF 4544/18 E-B).
In allen Hauptsacheverfahren war jeweils PKH ohne Ratenzahlungsanordnung unter Beiordnung des Erinnerungsführers bewilligt worden (Beschl. d. SG v. 31.3.2015 im Verfahren S 15 AS 107/15, später mit Beschl. v. 15.9.2016 auf die drei Klageerweiterungsanträge erstreckt; Beschl. d. SG v. 15.9.2016 in den Verfahren S 15 AS 2394/16 u. S 15 AS 2395/16).
Im Erörterungstermin des SG im Verfahren S 15 AS 107/15 beendeten die dortigen Beteiligten alle drei Rechtsstreite durch gerichtlichen Vergleich, wobei die Kosten gegeneinander aufgehoben wurden.
Der Erinnerungsführer beantragte sodann im Verfahren S 15 AS 107/15 die Festsetzung seiner Vergütung aus der Staatskasse für dieses Verfahren i.H.v. insgesamt 5.092,25 EUR, wobei er – nach Abzug von Beratungshilfe und Prozesskostenvorschuss – u.a. sowohl für die Klage als auch für die drei Klageerweiterungen jeweils eine Verfahrensgebühr i.H.v. 300,00 EUR, jeweils eine Terminsgebühr i.H.v. 280,00 EUR und jeweils eine Einigungsgebühr i.H.v. 300,00 EUR in Ansatz brachte. Mit Vergütungsfestsetzungsbeschl. v. 19.10.2016 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) des SG die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung für das Verfahren S 15 AS 107/15 wie folgt fest:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
|
465,00 EUR |
Anrechnung Beratungshilfe |
|
– 42,50 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
|
280,00 EUR |
Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV |
|
465,00 EUR |
Reisekosten, Nrn. 7003 bis 7006 VV |
|
81,40 EUR |
131 Kopien, Nr. 7000 VV |
|
37,15 EUR |
Pauschale, Nr. 7001 VV |
|
46,95 EUR |
Zwischensumme |
1.333,00 EUR |
|
19 % USt., Nr. 7008 VV |
|
253,27 EUR |
zusammen |
|
1.586,27 EUR |
abzgl. Zahlungen aus der Landeskasse |
|
– 385,32 EUR |
Auszahlungsbetrag |
|
1.200,95 EUR |
Sie ging dabei von einer überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit unter Berücksichtigung der insgesamt fünf angefochtenen Widerspruchsbescheide aus und legte bei der Terminsgebühr die Dauer des (gesamten) Termins von ...