Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Einigungsgebühr. Erledigung mehrerer anhängiger Verfahren durch Vergleich. mehrmaliger Gebührenanfall

 

Leitsatz (amtlich)

Die Einigungsgebühr nach Nr 1005, 1006 VV RVG (juris: RVG-VV) fällt bei nicht zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren auch dann mehrmals an, wenn der Vergleich nur unter einem Aktenzeichen protokolliert wurde, sich aus dem Inhalt des Vergleiches aber ergibt, dass auch die übrigen anhängigen Verfahren mit dem Vergleich erledigt wurden.

 

Orientierungssatz

1. Für die Höhe der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG ist die Dauer des Termins das wesentliche Kriterium. Damit wird der Aufwand des Rechtsanwalts in zeitlicher Hinsicht unmittelbar erfasst, den er für seine Anwesenheit bei dem Termin hat. Eine Terminsgebühr für einen Erörterungstermin von dreiminütiger Dauer in Höhe von 100.- €. ist sachgerecht.

2. Die Einigungsgebühr nach den Nrn. 1000, 1005, 1006 VV RVG entsteht grundsätzlich für die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss eines Vergleichs.

3. Der Beitrag des Anwalts an der Herbeiführung der Einigung oder Erledigung lässt sich mit den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG nur schwer bewerten. Die Anknüpfung an die Geschäfts- oder Verfahrensgebühr führt zu einer sachgerechten Gewichtung.

4. Haben die Verfahrensbeteiligten in einem Vergleich drei anhängige Verfahren beendet und einheitlich protokolliert, so ist die angefallene Einigungsgebühr nach den Nrn. 1000, 1005, 1006 VV RVG in Höhe von 150.- €. festzusetzen.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des SG Bayreuth vom 01.07 2016, S 10 SF 1/16 E, sowie die Vergütungsfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 25.11.2015 abgeändert. Für das Klageverfahren mit dem Az.: S 13 AS 455/15 wird zusätzlich eine Einigungsgebühr in Höhe von 150,00 EUR (zuzgl. Umsatzsteuer) festgesetzt.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse zusteht.

Neben der diesem Verfahren zugrundeliegenden Klage S 13 AS 455/15, in der um die Kosten der Unterkunft gestritten wurde, vertrat der Beschwerdeführer die Klägerin in zwei weiteren Klageverfahren mit den Aktenzeichen S 13 AS 533/14 und S 13 AS 534/14 jeweils aus dem Bereich der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Im Verfahren S 13 AS 455/15 legte der Beschwerdeführer Klage ein, stellte Anträge und beantragte PKH. Im Laufe des Klageverfahrens nahm er Akteneinsicht und teilte eine Adressänderung der Klägerin mit. Die Klage wurde nicht begründet.

Zum Erörterungstermin vom 13.10.2015 hatte das Gericht alle drei Klageverfahren geladen und einzeln, beginnend mit dem Az. S 13 AS 533/14, aufgerufen. Das Verfahren S 13 AS 533/14 endete durch einen Vergleich, in dem laut der Niederschrift ausdrücklich eine Einigung über den eigentlichen Streitgegenstand hinaus getroffen wurde. In dem Vergleich war unter der Ziffer 1 zudem geregelt, dass die Klägerin im Gegenzug die Klagen S 13 AS 533/14, S 13 AS 534/14 sowie S 13 AS 455/15 für erledigt erklärt und die in den Verfahren S 13 AS 533/14 und S 13 AS 534/14 gestellten Prozesskostenhilfeanträge zurücknimmt. Nach Ziffer 2 des Vergleiches waren sich die Beteiligten darüber einig, dass mit dem Vergleich die Rechtsstreite mit den Az. S 13 AS 533/14, S 13 AS 534/14 sowie S 13 AS 455/15 vollumfänglich erledigt seien. Die Terminsdauer für das Verfahren S 13 AS 533/14 betrug 40 Minuten.

Im zeitlich später aufgerufenen Verfahren mit dem Az. S 13 AS 455/15 bewilligte das Gericht der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers. Zudem erklärte die Klägerin die Klage im Hinblick auf den in der Sache S 13 AS 533/14 geschlossenen Vergleich für erledigt. Der Termin dauerte von 12.37 Uhr bis 12.40 Uhr.

Der Beschwerdeführer beantragte am 10.11.2015, seine Vergütung aus der Staatskasse auf insgesamt 1.138,43 EUR wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

 300,00 EUR

Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG

 20,00 EUR

Kopierkosten Nr. 7000 Nr. 1a) VV RVG

 52,80 EUR

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG

 280,00 EUR

Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 Nr. 2 VV RVG, anteilig

 2,50 EUR

Reisekosten Nr. 7003 VV RVG, anteilig

 1,56 EUR

Einigungsgebühr Nr. 1000, 1005, 1006 VV RVG

 300,00 EUR

Summe 

 956,66 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

 181,77 EUR

gesamt

 1.138,43 EUR

Vorschüsse oder Zahlungen der Klägerin, Dritter oder der Staatskasse sowie Beratungshilfe habe er nicht erhalten. Fahrtkosten sowie Tage- und Abwesenheitsgelder seien anteilig berücksichtigt worden, da an diesem Tage insgesamt 10 Termine vor dem SG wahrgenommen wurden. Weil insgesamt drei Verfahren abgearbeitet und erledigt worden seien, erscheine es sachgerecht, jeweils die Mittelgebühr anzusetzen.

Der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die Verg...

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