Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. parallel geführte Klageverfahren ohne förmliche Verbindung. kein Vorliegen "derselben Angelegenheit". mehrere Verfahren um dieselbe Leistung nach dem SGB 2. Vergütungsfestsetzung im Parallelverfahren. Verfahrensgebühr. Synergieeffekt. Abschluss eines Gesamtvergleichs im führenden Verfahren. Einigungsgebühr. Terminsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dieselbe Angelegenheit iS § 15 Abs 2 RVG liegt regelmäßig nicht vor, wenn mehrere prozessuale Verfahren (Klageverfahren) nebeneinander geführt werden, solange sie nicht förmlich verbunden werden. Dies gilt auch, wenn es um dieselbe Leistung nach dem SGB II mit im Kern derselben Problematik (hier: Leistungen für Kosten der Heizung), nur für verschiedene Zeiträume, geht.

2. Die Verfahrensgebühr (Nr 3102 VV RVG (juris: RVG-VV)) ist angesichts eingetretener Synergieeffekte in einem so parallel zu einem "führenden" Verfahren betriebenen zweiten Verfahren in Höhe der halben Mittelgebühr festzusetzen, wenn kein für die Bemessung relevanter Umstand wenigstens durchschnittlich ausgeprägt war.

3. Werden mehrere so nebeneinander geführte prozessuale Verfahren ohne förmliche Verbindung in einem im "führenden" Verfahren geschlossenen (Gesamt-)Vergleich (also unter Einbeziehung des parallel geführten Verfahrens) erledigt, entsteht in jedem dieser Verfahren eine Einigungsgebühr (Nr 1006 iVm Nr 1005 VV RVG).

4. Eine Terminsgebühr (Nr 3106 VV RVG) setzt - abgesehen von den in Satz 1 geregelten Fällen einer sog fiktiven Terminsgebühr - voraus, dass der Termin tatsächlich stattfand. Hierzu muss das Verfahren aufgerufen oder sonst wie begonnen worden sein. Die bloße Verkündung eines Beschlusses über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe anlässlich des Termins im "führenden" Verfahren genügt hierfür ebenso wenig, wie die Protokollierung einer übereinstimmenden Erledigungserklärung im aufgerufenen führenden Verfahren, in dem der Vergleich geschlossen wurde.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Erinnerungsführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.11.2018 (S 2 SF 2861/17 E) und der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle dieses Gerichts vom 15.08.2017 abgeändert.

Die Vergütung des Erinnerungsführers aus der Staatskasse für das Verfahren S 15 AS 2395/16 wird auf 380,80 € festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Erinnerungsführer eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) für seine Tätigkeit als beigeordneter Rechtsanwalt in dem Hauptsacheverfahren S 15 AS 2395/16 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH).

Jenem Verfahren ging zunächst Folgendes voraus: In dem Rechtsstreit S 15 AS 107/15 begehrte die dortige Klägerin einen höheren Heizkostenzuschuss nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Angefochten waren insoweit zunächst die Bescheide des beklagten Jobcenters vom 17.09.2014 und 22.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.12.2014 (betreffend den Leistungszeitraum vom 01.10.2014 bis 31.03.2015) und - nach (zuletzt) dreimaliger Erweiterung der Klage während des Hauptsacheverfahrens - weitere (vier Widerspruchs-)Bescheide betreffend eine Heizkostennachzahlung für das Jahr 2014 sowie die Leistungszeiträume vom 01.04. bis 30.09.2015 und vom 01.10.2015 bis 31.03.2016.

In dem vorliegend in Rede stehenden Hauptsacheverfahren S 15 AS 2395/16 begehrte die dortige Klägerin ebenfalls die Gewährung höherer Leistungen für Heizkosten als bewilligt und zwar betreffend den Leistungszeitraum vom 01.04.2016 bis 31.03.2017 (Bescheid vom 11.03.2016, Widerspruchsbescheid vom 29.06.2016), ebenso wie in dem weiteren Hauptsacheverfahren S 15 AS 2394/16 (Bescheid vom 08.04.2016, Widerspruchsbescheid vom 05.07.2016: Ablehnung der Gewährung einer höheren Brennstoffbeihilfe als 229,58 €, s. insoweit das beim Senat anhängige Beschwerdeverfahren L 10 SF 4544/18 E-B).

In allen Hauptsacheverfahren war jeweils PKH ohne Ratenzahlungsanordnung unter Beiordnung des Erinnerungsführers bewilligt worden (Beschluss des SG vom 31.03.2015 im Verfahren S 15 AS 107/15, später mit Beschluss vom 15.09.2016 auf die drei Klageerweiterungsanträge erstreckt; Beschlüsse des SG vom 15.09.2016 in den Verfahren S 15 AS 2394/16 und S 15 AS 2395/16).

Im Erörterungstermin des SG im Verfahren S 15 AS 107/15 beendeten die dortigen Beteiligten alle drei Rechtsstreite durch gerichtlichen Vergleich, wobei die Kosten gegeneinander aufgehoben wurden.

Der Erinnerungsführer beantragte sodann im Verfahren S 15 AS 107/15 die Festsetzung seiner Vergütung aus der Staatskasse für dieses Verfahren i.H.v. insgesamt 5.092,25 €, wobei er - nach Abzug von Beratungshilfe und Prozesskostenvorschuss - u.a. sowohl für die Klage als auch für die drei Klageerweiterungen jeweils eine Verfahrensgebühr i.H.v. 300,00 €, jeweils eine Terminsgebühr i.H.v. 280,00 € und jeweils...

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