Niedersachsen hat als erstes und bisher einziges Land von der Verordnungsermächtigung des § 69b GKG Gebrauch gemacht, um die Bereitschaft zur außergerichtlichen Streitbeilegung auch nach erfolgter Klageerhebung zu erhalten und zu fördern.
Hierzu hat die niedersächsische Landesregierung die Verordnung über das Entfallen von Gerichtsgebühren bei außergerichtlicher Konfliktbeilegung v. 12.6.2019 verabschiedet. Die Verordnung ist am 1.7.2019 in Kraft getreten.
Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung wird eine weitergehende Gebührenermäßigung gewährt für die erstinstanzlichen Verfahren der Arbeits-, Finanz-, Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nach § 1 Abs. 2 der Verordnung gilt das auch für die entsprechenden Rechtsmittelverfahren dieser Fachgerichtsbarkeiten. Die Finanzgerichtsbarkeit ist jedoch insoweit ausgenommen, da die Verordnungsermächtigung nach § 69b GKG nur die Landesgerichte erfasst, für die Berufungen jedoch der BFH zuständig ist.
Im Einzelnen ist vorgesehen, dass über die folgenden Ermäßigungstatbestände hinaus eine weitergehende Ermäßigung oder sogar ein vollständiger Wegfall der Gerichtsgebühren erfolgen kann:
Verwaltungsgerichtliche Verfahren |
Nrn. 5110, 5112, 5210, 5220 GKG-KostVerz. bei Vorliegen einer Ermäßigung nach: Nr. 5111 GKG-KostVerz. (Verfahren vor dem VG) Nr. 5113 GKG-KostVerz. (Verfahren vor dem OVG/VGH) Nrn. 5123, 5124 GKG-KostVerz. Nr. 5211 GKG-KostVerz. (Eilverfahren vor VG) Nr. 5221 GKG-KostVerz. (Eilverfahren vor OVG/VGH) Nrn. 5241 GKG-KostVerz. |
Finanzgerichtliche Verfahren |
Nrn. 6110, 6210 GKG-KostVerz. bei Vorliegen einer Ermäßigung nach: Nr. 6111 GKG-KostVerz. Nr. 6211 GKG-KostVerz. |
Sozialgerichtliche Verfahren |
Nrn. 7110, 7112 GKG-KostVerz. bei Vorliegen einer Ermäßigung nach: Nr. 7111 GKG-KostVerz. (Verfahren vor dem SG) Nr. 7113 GKG-KostVerz. (Verfahren vor dem LSG) Nrn. 7121, 7122 GKG-KostVerz. |
Arbeitsgerichtliche Verfahren |
Nr. 8210 GKG-KostVerz. bei Vorliegen einer Ermäßigung nach: Nr. 8211 GKG-KostVerz. |
Die Gebühren entfallen nach § 1 Abs. 1 der Verordnung, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
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Die Voraussetzungen für eine Gebührenermäßigung nach den vorstehenden Gebührentatbeständen sind überhaupt gegeben. |
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Das gesamte Verfahren wird nach einer Mediation oder nach einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung durch Zurücknahme der Klage oder des Antrags beendet. |
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In der Klage- oder Antragsschrift wurde mitgeteilt, dass eine Mediation oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung unternommen wird oder beabsichtigt ist, oder das Gericht den Parteien die Durchführung einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorgeschlagen hat. |
In den Rechtsmittelverfahren bedarf es der Mitteilung in dem Schriftsatz, mit welchem das Rechtsmittel eingelegt wird (§ 1 Abs. 2 der Verordnung).
Beispiel 1
Es wird Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. In der Klageschrift wird mitgeteilt, dass ein außergerichtliches Verfahren zur Streitbeilegung betrieben wird. Weil dieses erfolgreich verläuft, wird die Klage später zurückgenommen.
Für das Verfahren würde wegen vollumfänglicher Klagerücknahme eine 1,0-Gerichtsgebühr nach Nr. 5111 GKG-KostVerz. entstehen. Da die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 der Verordnung vorliegen, entfällt die Gerichtsgebühr jedoch in vollem Umfang. Es sind nur noch eventuelle gerichtliche Auslagen einzuziehen.
Es muss das gesamte Verfahren durch die Mediation oder nach einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung durch Rücknahme beendet werden. Eine bloße Teilrücknahme genügt daher nicht. Sie führt nicht zum Wegfall der Gerichtsgebühren, auch nicht teilweise nach dem Wert der durch die Rücknahme erfassten Gegenstände. Soweit wegen dieser Verfahrensteile jedoch später eine Beendigung i.S.d. von der Verordnung erfassten Gebührentatbestände erfolgt, kann für das gesamte Verfahren jedoch noch eine Gebührenermäßigung nach der entsprechenden Gebühr erfolgen.
Beispiel 2
Es wird Klage vor dem Arbeitsgericht wegen 10.000,00 EUR erhoben. In der Klageschrift wird mitgeteilt, dass ein außergerichtliches Verfahren zur Streitbeilegung betrieben wird. Dieses verläuft nur teilweise erfolgreich, sodass die Klage wegen 5.000,00 EUR zurückgenommen wird. Das Gericht entscheidet über den anhängigen Teil-Anspruch durch Urteil.
Die außergerichtliche Streitbeilegung hat lediglich zu einer Teil-Klagerücknahme geführt, zudem ist auch eine Gebührenermäßigung nach Nr. 8211 GKG-KostVerz. nicht eingetreten, da auch sie eine vollumfängliche Verfahrensbeendigung durch einen oder mehrere dort genannte Ermäßigungstatbestände verlangt.
Es verbleibt bei der 2,0-Gebühr nach Nr. 8210 GKG-KostVerz. nach einem Wert von 10.000,00 EUR.
Beispiel 3
Es wird Klage vor dem Arbeitsgericht wegen 9.000,00 EUR erhoben. In der Klageschrift wird mitgeteilt, dass ein außergerichtliches Verfahren zur Streitbeilegung betrieben wird. Dieses verläuft nur teilweise erfolgreich, sodass die Klage wegen 5.000,00 EUR zurückgenommen wird.
Später wird au...