Die Auffassung des AG, dass, soweit die geltend gemachte PKH-Verfahrensgebühr angefallen sein könne, diese der Anrechnung mit der zuvor entstandenen Geschäftsgebühr unterliege, hält in Ansehung der am 4.8.2009 verkündeten Neuregelung des § 15a RVG (Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften, BT-Drucks 16/12717; BGBl I S. 2470) einer Überprüfung nicht stand. § 15a RVG, der gemäß Art. 10 S. 2 dieses Gesetzes am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten ist, lautet: ...
In § 15a RVG wird das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Auftraggeber geregelt. Es wird klargestellt, dass aufeinander anzurechnende Gebühren zunächst unabhängig voneinander in voller Höhe ungekürzt entstehen. Der Anwalt kann grundsätzlich jede abzurechnende Gebühr in voller Höhe geltend machen. Allerdings bewirkt die Zahlung einer Gebühr, dass im Umfang der Anrechnung die andere Gebühr erlischt. Der Anwalt kann nicht beide Gebühren verlangen, sondern insgesamt nur den um die Anrechnung verminderten Gesamtbetrag.
Die Vorschrift des § 15a Abs. 2 RVG betrifft die Kostenerstattung. Ein erstattungsberechtigter Dritter kann sich auf die Anrechnung nur dann berufen, wenn er die anzurechnende Gebühr selbst bereits gezahlt hat oder wenn diese gegen ihn tituliert worden ist. Dann darf sie im Umfang der Anrechnung nicht nochmals im Kostenfestsetzungsverfahren tituliert werden (N. Schneider, NJW-Spezial 2009, 349). In der Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 5.8.2009 heißt es, dass mit dem neuen § 15a RVG der Gesetzgeber die Probleme beseitige, die in der Praxis aufgrund von Entscheidungen des BGH zur Anrechnung der anwaltlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr aufgetreten seien. Das Vergütungsrecht habe danach die vorgerichtliche Streiterledigung durch Rechtsanwälte behindert. Dieses Ergebnis sei nicht sachgerecht gewesen und habe den Vorstellungen einer sinnvollen Rechtsanwaltsvergütung und Justiz widersprochen. Mit der Gesetzes"änderung" sei dieses Problem gelöst und der Begriff der Anrechnung durch den Gesetzgeber "geklärt" worden (Erläuterungen der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries). Durch das neue Gesetz werde die Wirkung der Anrechnung sowohl im Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant als auch gegenüber Dritten, also insbesondere im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren, ausdrücklich geregelt. Insbesondere sei klargestellt, dass sich die Anrechnung im Verhältnis zu Dritten grundsätzlich nicht auswirke. In der Kostenfestsetzung müsse eine Verfahrensgebühr auch dann in voller Höhe festgesetzt werden, wenn eine Geschäftsgebühr entstanden sei, die auf sie angerechnet werde. Sichergestellt werde jedoch, dass ein Dritter nicht über den Betrag hinaus auf Ersatz oder Erstattung in Anspruch genommen werden könne, den der Rechtsanwalt von seinem Mandanten verlangen könne.
Nachdem in § 15a RVG keine Gesetzesänderung gesehen werden muss, sondern eine vom Gesetzgeber gewollte "Klarstellung" für die Anrechnung von Gebühren, um die durch die BGH-Rspr. entstandenen vielfältigen Probleme in Bezug auf die Anrechnung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr zu beheben, begegnet es keinen Bedenken, die seit dem 5.8.2009 in Kraft getretene Vorschrift des § 15a RVG auf noch nicht abschließend entschiedene "Altfälle" wie den vorliegenden anzuwenden (ebenso: OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.8.2009 - 8 W 339/09).
Mitgeteilt von RA und FAFamR Eckhard Benkelberg, Emmerich am Rhein