BGB § 1684; RVG § 48 Abs. 3; RVG VV Nr. 1000 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Auch in Verfahren zur Regelung des Umgangs des Kindes mit den Eltern kann vom Rechtsanwalt grundsätzlich eine Einigungsgebühr verdient werden. Der Anfall der Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Abs. 1 S. 1 RVG VV erfordert beim Abschluss des Einigungsvertrages kein gegenseitiges Nachgeben i.S.d. § 779 BGB. Beim Vorliegen nur eines einseitigen Nachgebens kann nicht ohne weiteres das negative Tatbestandsmerkmal des "ausschließlichen Anerkenntnisses oder Verzichts" als erfüllt angenommen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass beim einseitigen Nachgeben in den Fällen der sorgsamen Abwägung der Für und Wider und schließlich Vernachlässigung der eigenen Rechtsposition zugunsten des Rechtsfriedens sich der zwischen den Beteiligten abgeschlossene Einigungsvertrag nicht "ausschließlich" auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkt und damit die Einigungsgebühr entstehen lässt.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.6.2008–8 WF 85/08
1 Sachverhalt
In der Familiensache wegen Regelung des Umgangs mit dem gemeinsamen Kind wurde der Kindesmutter/Antragsgegnerin durch das AG Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung und unter Beiordnung des Beschwerdeführers bewilligt.
Das Verfahren war eingeleitet worden auf Antrag des Kindes/Antragstellers. Der Vater erklärte sich mit der von seinem Sohn vorgeschlagenen Umgangsregelung einverstanden. Die Mutter gab zunächst am 30.11.2007 ihre Zustimmung ab, trat dann jedoch am 24.12.2007 dem Antrag entgegen, weil sich die ihrer Zustimmung zugrunde gelegte Änderung der familiären Verhältnisse des Vaters noch nicht realisiert hatte. Am 1.2.2008 teilte sie erneut ihre Zustimmung mit und bat um Entscheidung im schriftlichen Verfahren, die mit Beschluss des FamG auf der Grundlage der Einigung der Kindeseltern, die dem Wunsch des Kindes entsprach, erging. Die Kosten wurden bei einem Gegenstandswert von 3.000,00 EUR gegeneinander aufgehoben.
Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung seiner aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung gem. § 55 RVG. Dem Antrag wurde entsprochen. Jedoch wurde die geltend gemachte Einigungsgebühr nicht in Ansatz gebracht. Dagegen hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt. Die Bezirksrevisorin war deren Berücksichtigung bereits im Festsetzungsverfahren entgegengetreten und der Referatsrichter hat die Erinnerung zurückgewiesen. Dagegen hat der Beschwerdeführer Beschwerde erhoben. Der Familienrichter hat die Akte ohne Abhilfe dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Bereits aus der gesetzlichen Regelung in § 48 Abs. 3 RVG ergibt sich mittelbar die Möglichkeit, dass der als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnete Rechtsanwalt die Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV auch in einem Verfahren wegen Regelung des Umgangs des Kindes mit den Eltern (§ 1684 BGB) verdienen kann.
Dabei reicht es nach der Rspr. des BGH (NJW 2007, 2187) für die Festsetzbarkeit einer Einigungsgebühr aus, dass glaubhaft gemacht wird, dass die Parteien eine Vereinbarung i.S.v. Nr. 1000 Abs. 1 S. 1 VV geschlossen haben. Die Protokollierung eines als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleichs nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist nicht erforderlich (OLG Stuttgart/Senat NJW 2007, 3218). Der Einigungsvertrag kann vielmehr auch stillschweigend geschlossen werden und ist nicht formbedürftig, sofern dies materiell-rechtlich nicht besonders vorgeschrieben ist (BGH a.a.O.).
Die Gebühr gem. Nrn. 1000, 1003 VV entsteht für die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.
Für das Entstehen der Einigungsgebühr wird nicht mehr ein beiderseitiges Nachgeben i.S.d. § 779 BGB gefordert, sondern durch diese Erfolgsgebühr soll jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honoriert und dadurch ein Anreiz geschaffen werden, diesen Weg der Erledigung eines Rechtsstreits bzw. Verfahrens zu beschreiten. Es kommt deswegen nicht mehr auf einen Vergleich i.S.d. § 779 BGB an, sondern nur noch auf eine Einigung (BGH a.a.O.), so dass ein einseitiges Nachgeben und damit Akzeptieren des Rechtsanliegens der Gegenpartei den Anfall dieser Gebühr nicht ausschließt, solange noch ein Vertrag abgeschlossen wird, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird.
Die Abgrenzung einer solchen die Gebühr auslösenden Einigung zur Beschränkung des Vertrags "ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht" ist schwierig und am Einzelfall auszurichten. Keinesfalls kann allein aus dem einseitigen Nachgeben in einem Vertrag auf ein "ausschließliches Anerkenntnis" oder einen "ausschließlichen Verzicht" geschlossen und der Anfall der Einigungsgebühr verneint werden. Denn dies würde der Intention des Gesetzgebers zuwiderlaufen und wie bei der früheren Vergleichsgebühr des § 23 BRAGO ein gegenseitiges Nach...