Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsgebühr bei Beilegung eines Streits über ein Umgangsrecht unter Mitwirkung eines Rechtsanwalts
Leitsatz (amtlich)
Auch in Verfahren zur Regelung des Umgangs des Kindes mit den Eltern kann vom Rechtsanwalt grundsätzlich eine Einigungsgebühr verdient werden. Der Anfall der Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 RVG-VV erfordert beim Abschluss des Einigungsvertrages kein gegenseitiges Nachgeben i.S.d. § 779 BGB. Beim Vorliegen nur eines einseitigen Nachgebens kann nicht ohne weiteres das negative Tatbestandsmerkmal des "ausschließlichen Anerkenntnisses oder Verzichts" als erfüllt angenommen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass beim einseitigen Nachgeben in den Fällen der sorgsamen Abwägung der Für und Wider und schließlich Vernachlässigung der eigenen Rechtsposition zugunsten des Rechtsfriedens sich der zwischen den Beteiligten abgeschlossene Einigungsvertrag nicht "ausschließlich" auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkt und damit die Einigungsgebühr entstehen lässt.
Normenkette
BGB § 1684; RVG § 48 Abs. 3; RVG-VV Nr. 1000 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Biberach (Beschluss vom 28.05.2008; Aktenzeichen 4 F 893/07) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des AG Biberach - FamG - vom 28.5.2008 - 4 F 893/07, abgeändert:
Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers wird zu seinen Gunsten in Abänderung der Vergütungsfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des AG Biberach - FamG - vom 26.3.2008 - 4 F 893/07, eine weitere Vergütung von 224,91 EUR festgesetzt.
Das Erinnerungs- und das Beschwerdeverfahren sind gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1. In der Familiensache wegen Regelung des Umgangs mit dem gemeinsamen Kind wurde der Kindesmutter/Antragsgegnerin durch das AG Biberach- FamG - am 30.11.2007 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung und unter Beiordnung des Beschwerdeführers bewilligt.
Das Verfahren war eingeleitet worden auf Antrag des Kindes/Antragstellers. Der Vater erklärte sich mit der von seinem Sohn vorgeschlagenen Umgangsregelung einverstanden. Die Mutter gab zunächst am 30.11.2007 ihre Zustimmung ab, trat dann jedoch am 24.12.2007 dem Antrag entgegen, weil sich die ihrer Zustimmung zugrunde gelegte Änderung der familiären Verhältnisse des Vaters noch nicht realisiert hatte. Am 1.2.2008 teilte sie erneut ihre Zustimmung mit und bat um Entscheidung im schriftlichen Verfahren, die mit Beschluss des FamGs vom 4.2.2008 auf der Grundlage der Einigung der Kindeseltern, die dem Wunsch des Kindes entsprach, erging. Die Kosten wurden bei einem Gegenstandswert von 3.000 EUR gegeneinander aufgehoben.
Am 12.2.2008 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung seiner aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung gem. § 55 RVG. Dem Antrag wurde entsprochen. Jedoch wurde die geltend gemachte Einigungsgebühr von 189 EUR zzgl. 19 % Umsatzsteuer (35,91 EUR), insgesamt ein Betrag von 224,91 EUR, nicht in Ansatz gebracht - wie auch die beanspruchte Terminsgebühr nebst Umsatzsteuer, die aber nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist.
Gegen die Vergütungsfestsetzung vom 26.3.2008 hat der Beschwerdeführer wegen der nicht bewilligten Einigungsgebühr nebst MWSt. am 3.4.2008 Rechtsmittel (Erinnerung) eingelegt. Die Bezirksrevisorin war deren Berücksichtigung bereits im Festsetzungsverfahren entgegengetreten und der Referatsrichter hat die Erinnerung mit Beschluss vom 28.5.2008 zurückgewiesen. Diese am 3.6.2008 zugestellte Entscheidung hat der Beschwerdeführer am 5.6.2008 ebenfalls angefochten.
Der Familienrichter hat die Akte ohne Abhilfe dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
2. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers ist statthaft, form- und fristgerecht erhoben und der Beschwerdewert übersteigt 200 EUR, so dass das Rechtsmittel zulässig ist (§§ 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 und 3, Abs. 7 RVG).
Es hat auch in der Sache Erfolg.
Bereits aus der gesetzlichen Regelung in § 48 Abs. 3 RVG ergibt sich mittelbar die Möglichkeit, dass der als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnete Rechtsanwalt die Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 RVG-VV auch in einem Verfahren wegen Regelung des Umgangs des Kindes mit den Eltern (§ 1684 BGB) verdienen kann.
Dabei reicht es nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2007, 2187) für die Festsetzbarkeit einer Einigungsgebühr aus, dass glaubhaft gemacht wird, dass die Parteien eine Vereinbarung im Sinne von Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 RVG-VV geschlossen haben. Die Protokollierung eines als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleichs nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist nicht erforderlich (OLG Stuttgart/OLG Stuttgart in NJW 2007, 3218). Der Einigungsvertrag kann vielmehr auch stillschweigend geschlossen werden und ist nicht formbedürftig, sofern dies materiell-rechtlich nicht besonders vorgeschrieben ist (BGH, a.a.O.).
Die Gebühr gemäß Nrn. 1000, 1003 RVG-VV entsteht für die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit ...