RVG §§ 47, 14; RVG VV Nrn. 3102, 3103, Anm. zu Nr. 2503
Leitsatz
- Zur Bemessung der Höhe eines Vorschusses in sozialgerichtlichen Verfahren auf die PKH-Vergütung.
- War der Anwalt in einer sozialrechtlichen Angelegenheit zunächst im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde tätig und hat er dort eine Beratungshilfe-Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV verdient, so entsteht im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren nur eine Verfahrensgebühr aus dem Rahmen der Nr. 3103 VV; dafür wird aber zusätzlich nicht auch noch die Geschäftsgebühr hälftig angerechnet.
SG Augsburg, Beschl. v. 11.5.2009 – S 3 SF 100/09 E
1 Sachverhalt
Streitig ist die Höhe des dem beigeordneten Rechtsanwalt zustehenden Vorschusses aus der Staatskasse.
Der Erinnerungsführer wurde mit Beschl. v. 20.8.2007 seiner Mandantin als Rechtsanwalt beigeordnet. Mit der Klage macht diese die Zahlung einer Witwenrente ohne Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte geltend. Der Erinnerungsführer hat Sachanträge gestellt und das Begehren der Klägerin auf einer Seite begründet. Mit Beschl. v. 10.12.2007 wurde auf übereinstimmende Anträge der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss der verfassungsgerichtlichen Überprüfung angeordnet. Zwischenzeitlich ist das Verfahren als nach der Aktenordnung erledigt ausgetragen.
Mit Schriftsatz vom 23.1.2009 beantragte der Erinnerungsführer die Gebührenfestsetzung im Wege des Prozesskostenhilfevorschusses und machte eine Rahmengebühr nach Nr. 3102 VV von 250,00 EUR abzüglich der Anrechnung von 35,00 EUR gem. Anm. Abs. 2 zu Nr. 2503 VV zuzüglich Entgelt für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 VV) von 20,00 EUR und Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV in Höhe von 44,65 EUR, insgesamt 279,65 EUR geltend. Die Kostenbeamtin setzte den Vorschuss auf 124,95 EUR fest. Abweichend vom Antrag des Erinnerungsführers legte sie, da der Erinnerungsführer bereits im Vorverfahren tätig gewesen war, eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 3103 VV zugrunde und bestimmte diese auf 120,00 EUR.
In seiner Erinnerung gegen diesen Beschluss rügte der Erinnerungsführer eine quasi "doppelte Anrechnung" durch Anwendung der Nrn. 3103 und 2503 VV. Im Übrigen sei die Mittelgebühr angebracht.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Erinnerung ist teilweise begründet. Dem Erinnerungsführer steht ein Vorschuss ohne Anrechnung der hälftigen Beratungshilfe gem. Nr. 2503 VV zu. Im Übrigen war die Erinnerung unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
Rechtsgrundlage für den beantragten Vorschuss auf die Vergütung als beigeordneter Rechtsanwalt ist § 47 RVG. Danach kann der Rechtsanwalt, dem wegen seiner Vergütung ein Anspruch gegen die Staatskasse zusteht, für die entstandenen Gebühren und die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Auslagen aus der Staatskasse einen angemessenen Vorschuss fordern.
1. Der Erinnerungsführer hat Anspruch auf eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 3103 VV. Dies ist tatbestandlich zwingend dadurch bedingt, dass er für seine Mandantin in dieser Angelegenheit bereits im Verwaltungsverfahren bzw. im weiteren der Nachprüfung des Verwaltungsaktes dienenden Verwaltungsverfahren tätig war. Es ist allgemein anerkannt und unstreitig, dass mit diesem Gebührentatbestand und der darin vorgesehenen verminderten Rahmengebühr berücksichtigt werden soll, dass dem Bevollmächtigten aufgrund früherer Befassung mit der streitgegenständlichen Thematik die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren erleichtert wird (Synergieeffekt). Für die darüber hinausgehende Interpretation des Erinnerungsführers, dass der Gesetzgeber den reduzierten Gebührenrahmen nur für den Fall vorgesehen habe, dass der Anwalt die anlässlich der vorausgegangenen Tätigkeit fällig werdenden Gebühren (Nr. 2400/2401 VV) auch tatsächlich erhalten habe, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Soweit er sich deswegen auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Niedersachsen beruft, ist dies schon deshalb unbehelflich, weil in dem dortigen Verfahren nicht über die speziell für das sozialgerichtliche Verfahren entwickelten Gebührentatbestände Nr. 3102 bzw. 3103 VV zu befinden war.
Der Gesetzgeber knüpft für den reduzierten Gebührenrahmen mit der Nr. 3103 VV unzweifelhaft an das "Tätiggewesensein" des Rechtsanwalts in einem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren an. Die Anwendungsbereiche der Nrn. 3102 VV und 3103 VV sind folglich allein nach den tatsächlichen Verhältnissen abzugrenzen. Für den hier zur Beurteilung stehenden Sachverhalt kommt es deshalb allein auf die spezialgesetzliche Norm der Nr. 3103 VV an. Zu fragen ist nicht, ob der in einem dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangenen Verwaltungsverfahren tätig gewesene Rechtsanwalt für sein Tun vom Mandanten auch tatsächlich eine Vergütung erhalten hat. Wortlaut, aber auch Sinn und Zweck der Nr. 3103 VV lassen ein solches Verständnis des Gebührentatbestandes nicht zu. Auch die Begründung im Gesetzentwurf zum Kostenrechts-Modernisierungsgesetz (BT-Drucks 15/1971, 212) belegt, dass hiermit allein der durch die vorausgegangene Tätigkeit ersparte Aufwand berücksichtigt werden soll.
Das Verständnis des E...