Nr. 1002 VV RVG
Leitsatz
Die Entstehung einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV setzt voraus, dass sich ein Rechtsstreit ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch anwaltliches Mitwirken erledigt. Eine anwaltliche Mitwirkung in diesem Sinne erfordert eine besondere, auf Beilegung der Sache ohne Entscheidung des Gerichts gerichtete und zur Erledigung nicht nur unwesentlich beitragende Tätigkeit des Rechtsanwalts. Hierfür sind besondere Bemühungen mit dem Ziel der Erledigung der Rechtssache erforderlich, die über eine "normale", durch die Tätigkeitsgebühren abgegoltene Prozessführung hinausgehen.
OVG des Saarlandes, Beschl. v. 18.6.2021 – 2 E 141/21
I. Sachverhalt
In dem vor dem VG des Saarlandes geführten Rechtsstreit ging es um die Standsicherheit eines Grabmals. Auf Aufforderung des VG legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die von ihm in seiner Klageschrift erwähnten Bestätigungen zweier Spitzenverbände der Naturwerksteinwirtschaft hinsichtlich des Standsicherheitsnachweises für Grabmale vor. Hieraufhin erteilte das VG den Parteien einen ausführlichen Hinweisbeschluss, der dazu führte, dass der Kläger klaglos gestellt wurde.
In dem nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren beantragte der Kläger – soweit hier von Interesse – die Festsetzung einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des VG lehnte die Festsetzung dieser Erledigungsgebühr ab. Die gegen diese Absetzung gerichtete Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung) des Klägers hat das VG des Saarlandes zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde hatte vor dem OVG des Saarlandes keinen Erfolg.
II. Anfall der Erledigungsgebühr
1. Gesetzliche Regelung
Nach Nr. 1002 VV entsteht die dort geregelte Erledigungsgebühr, wenn sich durch die anwaltliche Mitwirkung eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes erledigt. Diese Voraussetzungen haben hier nach Auffassung des OVG des Saarlandes nicht vorgelegen.
2. Erledigung des ursprünglichen Verwaltungsaktes
Hierzu lässt sich den Beschlussgründen nicht viel entnehmen. Das OVG teilt lediglich mit, dass der Kläger aufgrund der ausführlichen Hinweisverfügung des VG des Saarlandes klaglos gestellt wurde.
3. Anwaltliche Mitwirkung
Die anwaltliche Mitwirkung erfordert nach Auffassung des OVG des Saarlandes ein qualifiziertes erledigungsorientiertes Tätigwerden des Rechtsanwalts. Dieses müsse über das Maß desjenigen hinausgehen, das bereits durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten, nämlich die Verfahrensgebühr, abgegolten werde. Die Tätigkeiten, auf die der Kläger die anwaltliche Mitwirkung seines Prozessbevollmächtigten gestützt hatte, werden jedoch nach Auffassung des OVG des Saarlandes bereits durch die Verfahrensgebühr abgegolten. In seiner Klageschrift habe sich der Kläger lediglich auf die Bestätigungen zweier Spitzenverbände der Naturwerksteinwirtschaft gestützt, ohne diese vorzulegen. Dies habe er erst nach entsprechender Aufforderung des VG getan. Die Vorlage von Unterlagen oder Beweismitteln, die sich – wie es hier der Fall gewesen sei – in der Sphäre des Klägers befänden und auf die er sich zur Begründung des Klageanspruchs berufe, gehöre hingegen zu den allgemeinen, von einem Rechtsanwalt im Rahmen seiner Bevollmächtigung zu erwartenden Tätigkeiten. Somit gehöre die Bereitstellung dieser Unterlagen zu den mit der Verfahrensgebühr abgegoltenen Tätigkeiten der ordnungsgemäßen Prozessführung des Bevollmächtigten.
Ferner hat das OVG des Saarlandes darauf verwiesen, dass die Beilegung des Rechtsstreits durch Klaglosstellung letztlich nicht aufgrund einer besonderen, erledigungsorientierten Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten des Klägers herbeigeführt wurde, sondern aufgrund des ausführlichen Hinweises des Verwaltungsgerichts in seiner Verfügung.
III. Bedeutung für die Praxis
Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002, aber auch nach Nrn. 1005 und 1006 VV, wird den Prozessbevollmächtigten nur in den seltensten Fällen zugebilligt. Die Anforderungen an den Anfall dieser Gebühr werden nämlich von der Rspr. recht hoch angesetzt.
1. Anwaltliche Mitwirkung
Nach der Rspr. löst eine anwaltliche Tätigkeit, die nur allgemein auf die Förderung des Verfahrens gerichtet ist, die Erledigungsgebühr nicht aus. Vielmehr muss ein besonderes Bemühen um eine außergerichtliche Erledigung des Rechtsstreits vorliegen (BVerwG RVGreport 2012, 103 [Hansens]; BSG RVGreport 2014, 149 [Ders.]; BSG RVGreport 2011, 256 [Ders.]; Bay. LSG RVGreport 2006, 263 [Ders.]; LSG NRW RVGreport 2006, 61 [Ders.]; Hansens, RVGreport 2007, 32 ff.). Wann diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist von der Rspr. in vielen einzelnen Fallgestaltungen entschieden worden (s. hierzu Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 25. Aufl., 2021, Nr. 1002 VV RVG Rn 40 ff.).
2. Einzelfälle
a) Vorlage von Urkunden
Die bloße Vorlage von Urkunden, die sich im Besitz der Partei befinden, stellt eine zum Anfall der Erledigungsgebühr führende anwaltliche Mitwirkung dann...