§ 7 RVG; Nr. 1008 VV RVG
Leitsatz
Im Fall der während des Rechtsstreits eintretenden Verschmelzung einer Partei auf eine aufnehmende Gesellschaft fällt keine Erhöhungsgebühr nach § 7 RVG, Nr. 1008 VV an.
OLG Dresden, Beschl. v. 16.6.2021 – 12 W 383/21
I. Sachverhalt
Die Klägerin hat unter der Firma X Privat- und Firmenkundenbank AG vor dem zuständigen Mahngericht das Mahnverfahren wegen eines Anspruchs auf Zahlung aus einer Bürgschaft nebst Zinsen gegen die Beklagte betrieben. Nachdem diese gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt hatte, begründete die Klägerin den Anspruch. Während des nachfolgenden Klageverfahrens teilte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, die bisherige Klägerin sei durch Verschmelzungsvertrag durch Aufnahme auf die Y Bank AG übergegangen. Nach einer Teilerledigung des Rechtsstreits hat das LG Leipzig der Klage überwiegend stattgegeben und die gesamten Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Klägerin – soweit hier von Interesse – die Festsetzung einer nach Nr. 1008 VV um den Satz von 0,3 erhöhten 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV geltend gemacht. Dies hat sie damit begründet, aufgrund der Verschmelzung habe ihre Prozessbevollmächtigte mehrere Auftraggeber vertreten.
Der Rechtspfleger des LG Leipzig hat die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV unberücksichtigt gelassen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hatte beim OLG Dresden keinen Erfolg.
II. Anfall der Gebührenerhöhung
1. Gesetzliche Grundlage
Die Verfahrens- oder die Geschäftsgebühr erhöht sich nach Nr. 1008 VV für jede weitere Person um den Gebührensatz von 0,3, wenn Auftraggeber des Rechtsanwalts in derselben Angelegenheit mehrere Personen sind. Bei Wertgebühren, wie sie im vorliegenden Fall angefallen sind, gilt dies nach Abs. 1 der Anm. zu Nr. 1008 VV nur dann, soweit der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist.
2. Dieselbe Angelegenheit
Eine Voraussetzung für die Berechnung der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV ist demnach, dass der Rechtsanwalt mehrere Personen als Auftraggeber in derselben Angelegenheit vertreten hat. Dies war hier teilweise nicht der Fall. Soweit die Prozessbevollmächtigte die X Privat- und Firmenkundenbank AG im Mahnverfahren vertreten hat, was sich dem mitgeteilten Sachverhalt nicht zweifelsfrei entnehmen lässt, ist sie gegenüber dem anschließenden Klageverfahren in verschiedenen Angelegenheiten tätig geworden. Das Mahnverfahren und das streitige Verfahren sind nämlich gem. § 17 Nr. 2 RVG verschiedene Angelegenheiten, was auch daraus folgt, dass bspw. Nr. 3305 VV die Anrechnung der für die Vertretung des Antragstellers anfallenden 1,0-Verfahrensgebühr auf die Verfahrensgebühr für den nachfolgenden Rechtsstreit anordnet.
Die Prozessbevollmächtigte war jedoch insoweit in derselben Angelegenheit tätig, als sie für die Klägerin sowohl unter deren Firmierung X Privat- und Firmenkundenbank AG als auch in der neuen Firmierung Y Bank AG im nachfolgenden Rechtsstreit tätig gewesen ist.
3. Mehrere Personen als Auftraggeber
Die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV erfordert ferner, dass der Rechtsanwalt mehrere Personen als Auftraggeber hat. Diese Voraussetzung lag hier nach Auffassung des OLG Dresden nicht vor. Zwar habe die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit der X Privat- und Firmenkundenbank AG und der Y Bank AG zu dem Zeitpunkt des Mahnverfahrens sowie zum Zeitpunkt der Klagebegründung zwei eigenständige juristische Personen vertreten. Jedoch sei die Prozessbevollmächtigte zunächst nur für die X Privat- und Firmenkundenbank AG tätig geworden. Die Verschmelzung der beiden Gesellschaften habe nicht dazu geführt, dass die Anwältin in der Folgezeit eine weitere eigenständige juristische Person vertreten hätte. Die übertragene Rechtsträgerin, nämlich die X Privat- und Firmenkundenbank AG, sei zwar erloschen. Deren Vermögen sei jedoch kraft Gesetzes als Ganzes und ohne gesonderten Übertragungsakt den übernehmenden Rechtsträger, die Y Bank AG, übergegangen. Infolge dieser Verschmelzung sei das Klageverfahren nicht gem. § 246 Abs. 1 ZPO unterbrochen worden. Die Klägerin sei ohne Weiteres durch die bisherige Prozessbevollmächtigte auch nach der Verschmelzung vertreten worden. Folglich habe die Prozessbevollmächtigte zu keinem Zeitpunkt mehrere Parteien vertreten.
4. Sinn und Zweck der Gebührenerhöhung
Aus dem Sinn und Zweck der Nr. 1008 VV ergibt sich nach Auffassung des OLG Dresden keine andere Beurteilung. Durch die Verschmelzung der beiden Gesellschaften habe sich das Haftungsrisiko der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht erhöht. Sie habe auch keinen Mehraufwand gehabt, da sie stets nur eine Mandantin und nicht mehrere Mandanten habe unterrichten müssen.
5. Kein Fall wie bei OLG Nürnberg AGS 2010, 167
Nach den weiteren Ausführungen des OLG Dresden kann sich die Klägerin auch nicht auf die Entscheidung des OLG Nürnberg AGS 2010, 167 berufen. In jenem Falle hatten die Prozessbevollmächtigten zunächst eine Landeskreditbank als Beklagte und in der Folgezeit deren Gesamtrechtsnachfolgerin, e...