Die Entscheidung des BGH wird in der gerichtlichen Praxis für Aufsehen sorgen und gerade in großen Insolvenzverfahren für eine Änderung, zumindest für eine stringentere Prüfung von Zuschlägen sorgen. Flankiert wird das Ganze durch die Anpassung der Vergütung des Insolvenzverwalters durch das SanInsFoG (Gesetz vom 22.12.2020, BGBl. I 2020, 3256), welches zum 1.1.2021 die Gebührensätze der Verwalter aktualisiert und angepasst hat, um diese Vergütung aktuell und zukunftsfähig zu halten. Gerade die Reform dürfte zusätzlich die Frage aufwerfen, ob für Korrektive – die zuletzt häufig auch wegen einer "veralteten" Vergütungsstruktur herangezogen wurden – nach Anhebung und Anpassung der Regelvergütung noch so viel Raum sein kann, wie vor der Reform.

Fakt ist: In vielen, vielen Fällen bietet die InsVV nur wenig Handhabe, die Festsetzung der Vergütung des Verwalters transparent nachvollziehen zu können, aber auch die meisten Vergütungsanträge erfüllen vom Sachvortrag längst nicht die Bedingungen, die die Rspr. schon seit vielen Jahren daran stellt (Haarmeyer/Lissner/Metoja, a.a.O., Kap. 1 Rn 5 ff.). Obwohl nur als Ausnahme von der Regel gesetzlich konzipiert, werden Zuschläge in immer größerem Umfang in faktisch jedem Insolvenzverfahren geltend gemacht (Haarmeyer/Lissner/Metoja, a.a.O., Kap. 1 Rn 5 ff.). Bisweilen – jedoch nach Ansicht des Autors unzutreffend – wird sogar davon ausgegangen, dass Zuschläge zwischenzeitlich den Hauptanteil einer Vergütung ausmachen (so Bigus/Bak, ZInsO 2021, 1421 ff.). Mit der Erhöhung der Regelvergütungen zum 1.1.2021 ist es die Aufgabe der Insolvenzgerichte, dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis im Rahmen der Festsetzungen wiederherzustellen und Zuschläge nur noch nach Maßgabe der äußerst restriktiven Festsetzungsvoraussetzungen des BGH (Beschl. v. 17.9.2020 – IX ZB 29/19, ZInsO 2020, 2289 ff.) zu gewähren. Zuschläge können, wie der BGH nun nochmals dargelegt hat, erst dann geltend gemacht werden, wenn der tatsächliche Aufwand durch die Regelvergütung des § 2 Abs. 1 InsVV nicht mehr gedeckt ist und – kumulativ – über das Maß an Arbeit in vergleichbaren Verfahren weit hinausgeht, was ein Antragsteller konkret und nachvollziehbar darzulegen hat (Haarmeyer/Lissner/Metoja, a.a.O., Kap. 1 Rn 7). Gelingt dieser Nachweis, ist ihm im Einzelfall die Möglichkeit eröffnet, über die Regelung in § 3 Abs. 1 InsVV durch Zuschläge die regelmäßig festzusetzende einfache Staffelvergütung zu erhöhen. Sind die konkreten Anforderungen in dem Festsetzungsverfahren hinter den Anforderungen vergleichbarer Verfahren erheblich zurückgeblieben, kann das Insolvenzgericht allerdings auch durch Abschläge die einfache Staffelvergütung absenken. Der BGH (Beschl. v. 17.9.2020 – IX ZB 29/19, ZInsO 2020, 2289 ff.) hat in seiner richtungsweisenden Entscheidung im September 2020 bereits den grundsätzlichen Gedanken begründet, wonach Begleitumstände und weitere Faktoren für die Frage der Angemessenheit einer Vergütung mit einzufließen haben. Daraus folgt, dass für die vergütungsrechtliche Frage der Angemessenheit die Gesamtheit aller Umstände zu berücksichtigen sind. In diesem Kontext kann auch die hier vorgestellte Entscheidung gesehen werden. Ausgehend davon kann einer dieser Umstände also auch die Höhe der Berechnungsgrundlage sein. Dabei spielt auch der sog. dynamische Normalfallbegriff eine bedeutende Rolle. So lässt sich der gebührenrechtliche Normalfall gerade nicht anhand festgelegter Kriterien würdigen (s. Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl., 2019, Vorbem. vor § 1 Rn 28 ff.) und folglich auch nicht die Frage von Zuschlägen. Vielmehr ist – dynamisch – auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen (Haarmeyer/Lissner/Metoja, a.a.O., Kap. 3, Rn 85 ff.; auch Stephan/Riedel/Riedel, § 2 Rn 6; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Dorell, Insolvenzrecht, 4. Aufl., 2020, § 3 InsVV Rn 5; Graeber/Graeber, FGO, 9. Aufl., 2019 § 3 Rn 10 ff.; Haarmeyer/Mock, a.a.O., § 3 Rn 3). Die Regelaufgaben des Insolvenzverwalters sollen sich nach diesem dynamischen Betrachtungsblickwinkel aus dem jeweiligen Verfahrenszuschnitt ergeben unter Zugrundelegung der Überlegung, dass bei einem größeren Verfahren die Regelvergütung höher ist und dadurch die dort typischerweise anfallenden Tätigkeiten bereits damit abgegolten wären. Dabei fließt ein, dass die Wahl eines bestimmten Verwalters für ein bestimmtes Verfahren u.U. vielleicht nur deshalb erfolgt ist, weil dieser ("High End" Verwalter) gerade wegen seines besonderen Kenntnisstandes ("diese Verfahren sind für ihn "normal") gewählt wurde. Bspw. kann bei einem kleinen Verfahren die Bearbeitung von Presseanfragen ungewöhnlich sein und damit eine Sonderaufgabe darstellen. Bei einem Großverfahren hingegen wäre dies üblich und damit eine Regelaufgabe. Ähnliches wird man von arbeitsrechtlichen Fragen erwarten müssen. Der BGH scheint in dieser, aber auch in früherer Entscheidungen (BGH ZinsO 2013, 1104; BGH ZInsO 2009, 1030, 1032; BGH NZI 2007, 412, 413) diesem dynamischen Regelfallbegriff zu folgen, wenn er zu vergleich...

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