§ 3 InsVV, § 63 Abs. 1 S. 3 InsO
Leitsatz
In einem größeren Insolvenzverfahren ist regelmäßig davon auszugehen, dass ein Zuschlag auslösender Mehraufwand des Insolvenzverwalters im Grundsatz bereits dadurch abgegolten ist, dass die größere Vermögensmasse zu einer höheren Vergütung führt.
BGH, Beschl. v. 29.4.2021 – IX ZB 58/19
I. Sachverhalt
Ein Insolvenzverwalter wurde in einem größeren Insolvenzverfahren einer jur. Person bestellt, nachdem er zuvor bereits vorl. Insolvenzverwalter dieses Verfahrens war. Für diese Tätigkeit wurde eine Vergütung i.H.v. 47.815,99 EUR einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer festgesetzt, wobei Zuschläge für die Inventarisierung der Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie wegen besonderer Schwierigkeiten aufgrund der fehlenden Ansprechbarkeit des Geschäftsführers und der ungeordneten Buchführung angesetzt wurden.
Für das Insolvenzverfahren selbst beantragte der Verwalter dann eine Vergütung von insgesamt 168.011,88 EUR. Dem Antrag lag eine Berechnungsgrundlage von 1.085.016,87 EUR zu Grunde, die ohne Zuschläge eine Regelvergütung i.H.v. 49.450,34 EUR verursacht. Der übersteigende Betrag wurde in Form von Zuschlägen (i.H.v. 150 % der Regelvergütung aus) beantragt. Das Insolvenzgericht kürzte in seiner Festsetzung die Vergütung unter Einbeziehung von Zuschlägen i.H.v. 100 % der Regelvergütung auf insgesamt 138.588,91 EUR. Im Beschwerdeverfahren vertrat dann das Beschwerdegericht die Auffassung, dass bei der Prüfung einer im Einzelfall gebotenen Erhöhung der Regelvergütung auch die Höhe der Berechnungsgrundlage in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sei. Je größer die Insolvenzmasse sei, umso höher falle schon die Regelvergütung aus, sodass ein Mehraufwand von der Staffelvergütung bereits umfasst sein könne. Dem schloss sich der BGH unter Erörterung verschiedener Zuschlagsaspekte an.
II. Bemessung von Zu- oder Abschlägen allgemein
Der BGH hat zunächst einmal dargelegt, wonach die Bemessung von Zu- oder Abschlägen im Einzelfall Sache des Tatrichters ist. Dies ist im Rahmen der Festsetzung nach der InsVV regelmäßig der Rechtspfleger. Dabei ist folglich jeweils auf den Einzelfall abzustellen. Dargelegt wird indirekt, wonach § 2 InsV zunächst einmal den Grundsatz der Regelvergütung beinhaltet. Sollen Zu- oder Abschläge in Betracht kommen, bedarf es der konkreten Darlegung. Im Falle von Zuschlägen ist dabei die Angemessenheitsvermutung der Regelvergütung zu widerlegen. Einem Mehraufwand wird dabei gem. § 63 Abs. 1 S. 3 InsO durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen. § 3 InsVV konkretisiert diese gesetzlichen Vorgaben. Maßgebend für die Frage von Zuschlägen ist, ob die Bearbeitung den Insolvenzverwalter stärker oder schwächer als in entsprechenden Insolvenzverfahren allgemein üblich in Anspruch genommen hat, also der real gestiegene oder gefallene Arbeitsaufwand.
III. Eingriffsmöglichkeiten des BGH
Der BGH sieht keine grundsätzliche Möglichkeit, die tatrichterliche Beurteilung zu bewerten. Die gerichtliche Entscheidung sei nur auf die Rechtsbeschwerde hin zu überprüfen, ob sie die Gefahr der Verschiebung von Maßstäben mit sich bringt.
IV. Beurteilungskompetenz des Gerichts und Gesamtkontext
Häufig orientieren sich Zuschläge an der (meist für einen Antragsteller günstigen) Rspr., die in sog. Faustregeltabellen zusammengefasst werden. Solche Faustregeltabellen genießen nach allg. Anschauung jedoch keinen normativen Charakter (BGH, Beschl. v. 14.2.2008 – IX ZB 181/04, ZInsO 2008, 373; Haarmeyer/Lissner/Metoja, Die Prüfung von Vergütungsanträgen, 1. Aufl., 2021, Kap. 1 Rn 16) und sind daher gerade nicht geeignet, um die eigene Vergütung zu begründen (ohnehin nicht anerkannt: BGH, ZInsO 2008, 373). Vielmehr hat der über die Regelvergütung hinausgehende Antragsteller nach dem BGH die Zuschläge konkret darzulegen und zu beziffern. Das Insolvenzgericht wiederum hat bei der Festsetzung der Vergütung die in Betracht kommenden Tatbestände dann im Einzelnen zu überprüfen und zu beurteilen. Einer Bewertung der Höhe jedes einzelnen Zu- oder Abschlags bedarf es nach Ansicht des BGH jedoch nicht. Es genügt, wenn der Tatrichter die möglichen Zu- und Abschlagstatbestände dem Grunde nach prüft und anschließend in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung von Überschneidungen und einer auf das Ganze bezogenen Angemessenheitsbetrachtung den Gesamtzuschlag oder Gesamtabschlag bestimmt (so schon: BGH, Beschl. v. 14.2.2019 – IX ZB 25/17, WM 2019, 548 Rn 14 m.w.N.).
V. Denkbare Zuschläge
Feststellend, dass es einer individuellen Bewertung von Zuschlägen der Höhe nach gerade nicht bedarf, sah der BGH einige der beantragten Zuschläge als zulässig an. So könne die Mehrbelastung durch einen obstruktiven Schuldner einen solchen Zuschlag denkbar werden lassen, aber auch der tatsächliche Wissensverlust, wenn die bisherigen Organe des Schuldners ausgeschieden und von ihnen keine Informationen mehr zu erhalten seien und auch sonst keine Informationsbeschaffung möglich sei (BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – IX ZB 84/16, ZIP 2017, 2018 Rn 239). Auch – so der BGH – sei ein aufwändiges Forderungsmanagement zuschlagsfähig, wobei die Zusammenfassung der Tatbestände "komplexes Debitorenmanagement/erschwerten Forder...