§ 40 GKG; § 33 Abs. 1 RVG; § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO
Leitsatz
- Mit der Erledigung des Rechtsstreits ist eine Streitwertermäßigung nicht verbunden, wenn das Kosteninteresse über dem Wert der Hauptsache liegt.
- Eine zeitlich gestattete Festsetzung des Streitwertes ist in diesem Fall nicht veranlasst.
BGH, Beschl. v. 14.6.2022 – XI ZR 571/21
I. Sachverhalt
Der Kläger hatte den Beklagten vor dem LG Frankenthal auf Zahlung eines erstrangigen Teilbetrages i.H.v. 11.741,91 EUR wegen einer Unterdeckung eines Fonds in Anspruch genommen, dem der Beklagte nach seiner Gründung beigetreten war. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht, das OLG Zweibrücken, der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat der Beklagte vor dem BGH die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt. Im Verlaufe des Revisionsverfahrens hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der BGH hat den Beklagten auf die Folgen des § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO hingewiesen. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung nicht widersprochen. Beide Parteien haben wechselseitige Kostenanträge gestellt. Der BGH hat durch Beschl. v. 8.3.2022 die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt.
Durch weiteren Beschl. v. 14.6.2020 hat der BGH den Streitwert für das Revisionsverfahren festgesetzt.
II. Streitwert nach Erledigung des Rechtsstreits
Gemäß § 63 Abs. 2 S. 1 GKG hat das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gerichtsgebühren durch Beschluss festzusetzen, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert gem. § 47 Abs. 1 S. 1 GKG nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Im Revisionsverfahren hatte der Beklagte den Antrag gestellt, das landgerichtliche Urteil, in dem die Klage auf Zahlung eines erstrangigen Teilbetrages i.H.v. 11.741,91 EUR zurückgewiesen wurde, wiederherzustellen.
Folgerichtig hat der BGH den Streitwert für das Revisionsverfahren auf diesen Betrag festgesetzt. Nach den Ausführungen des BGH kam eine zeitlich gestaffelte Festsetzung des Streitwertes nicht in Betracht. Zwar bestimme sich der Streitwert im Anschluss an die Erledigungserklärungen der Parteien nur noch nach dem Kosteninteresse, soweit der Betrag den Wert der Hauptsache nicht übersteige (BGH AGS 2015, 78). Das Kosteninteresse des Klägers liege hier jedoch über dem Wert der Hauptsache, sodass mit der Erledigung des Rechtsstreits unabhängig vom Zeitpunkt der Erledigungserklärung des Klägers keine Streitwertermäßigung verbunden sein könne. Für die Wertberechnung sei nämlich gem. § 40 GKG der Zeitpunkt der Antragstellung (Revisionsantrag) maßgeblich.
Ferner hat der BGH ausgeführt, es sei weder ersichtlich noch dargelegt (§ 33 Abs. 1 RVG), dass für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren ein anderer Wert als der für die Gerichtskosten maßgebliche ursprüngliche Hauptsachestreitwert von 11.741,91 EUR von Bedeutung sein sollte.
III. Bedeutung für die Praxis
1. Bestimmung des Streitwertes
Die Entscheidung des BGH hinterlässt bei dem Leser eine gewisse Ratlosigkeit. Wenn die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entfällt die Rechtshängigkeit der Hauptsache. Folglich berechnen sich der Streitwert und die Beschwer nach den bis dahin angefallenen Prozesskosten, soweit dieser den Wert der Hauptsache nicht übersteigt (BGH AGS 2015, 78 und der BGH hier). Jedoch ist für die Streitwertbemessung, die ja für die Berechnung der Gerichtsgebühren maßgebend ist, der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die betreffende gerichtliche Verfahrensgebühr entstanden ist (s. § 40 GKG). Vorliegend ist die vor dem BGH im Revisionsverfahren nach Nr. 1230 GKG KV zunächst angefallene 5,0-Verfahrensgebühr gem. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GKG mit der Einreichung der Revisionsschrift der Beklagten angefallen. Zu diesem Zeitpunkt war noch der ursprüngliche Hauptsachewert i.H.v. 11.741,91 EUR maßgeblich.
Diese Verfahrensgebühr hat sich i.Ü. nicht nach Nr. 1232 Nr. 4 GKG KV auf den Satz von 3,0 ermäßigt. Dies hätte bei Erledigungserklärungen nach § 91a ZPO vorausgesetzt, dass keine Entscheidung über die Kosten ergangen wäre oder die Entscheidung einer zuvor mitgeteilten Einigung der Parteien über die Kostentragung folgte. Ein solcher Fall hat hier nicht vorgelegen, da die Parteien wechselseitige Kostenanträge gestellt hatten.
Daraus wird auch ersichtlich, dass eine zeitlich gestaffelte Festsetzung des Streitwertes nicht in Betracht kommt. Die gerichtliche Verfahrensgebühr ist mit Einreichung der Revisionsschrift fällig geworden und gleichzeitig entstanden. In der Folgezeit sind beim BGH keine weiteren vom Streitwert abhängigen Gerichtsgebühren angefallen. Folglich war für die Festsetzung des Streitwertes gem. § 40 GKG nur auf den Zeitpunkt der Einreichung der Revisionsschrift abzustellen.
2. Ausführungen zum Gegenstandswert
Nicht recht verständlich sind die Ausführungen des BGH zur Berechnung des Wertes für die Anwaltsgebühren. Damit hätte sich der BGH nur befassen dürfen, wenn ein Antrag...